CI Plus – die wichtigen Fakten
Die neue CI-Plus-Schnittstelle zum Entschlüsseln von Abo-Programmen holt sich derzeit eine Menge Ärger ein. Mit ihr soll der massive Einfluss auf die Sehgewohnheiten der TV-Zuschauer möglich sein. Wem nützt der neue Standard und was ist dran an den Gerüchten?
Common Interface für Pay-TV
Eigentlich sollte CI Plus lediglich alles einfacher machen und die freie Receiverwahl ermöglichen. Als Nachfolger des bisherigen Common Interface dient es an Set-Top-Boxen und Fernsehern mit integrierten Digital-Empfängern als Schacht für das Nachrüsten von Entschlüsselungssoftware. In diesen Schacht schiebt man ein so genanntes CA-Modul (Conditional Access), das die jeweilige Entschlüsselungssprache beherrscht. In das CA-Modul gehört wiederum eine Smartcard (Abo-Karte), die ein Pay-TV-Anbieter zusendet, sobald das Abo abgeschlossen wurde. Damit ist das System geschlossen, und man darf die bestellten Abo-Programme ansehen.
In diesem Grundaufbau sind CI Plus und das bisherige CI identisch. Allerdings sagt man dem ersten CI nach, die technischen Hürden seien zu gering, um Raubkopien von den empfangenen Sendungen zu verhindern: Hinter der Schnittstelle seien die entschlüsselten Digitalsignale sehr einfach abgreifbar und für digitale Filmkopien verwendbar. Außerdem könne man den Jugendschutz abschalten, was ein rechtliches Problem für Pay-TV-Anbieter darstellt, sobald diese tagsüber Sendungen mit Altersbeschränkung ausstrahlen.
Mehr Freiheit oder totale Kontrolle?
Ob diese Argumente tatsächlich Praxisrelevanz haben, wird in Fachkreisen rege diskutiert. Tatsache ist allerdings, dass sich Filmindustrie, Gerätehersteller und Kabelnetzbetreiber darauf geeinigt haben, dass CI Plus mit seinen technischen Neuerungen den Sicherheitsbestrebungen eher entspricht als das herkömmliche CI. Eindeutiger Vorteil dieser Einigung ist, dass nun Kabelnetzbetreiber CI Plus als offene Plattform für die Entschlüsselung von Pay-TV nutzen wollen. So wird es dem Kabelkunden möglich, auch für Abo-Angebote seinen selbst gekauften Wunsch-Empfänger anschließen zu können. Bislang musste er sich mit dem jeweiligen Receiverangebot des Kabelnetzbetreibers zufrieden geben. Nun dagegen kommen etwa auch die in Fernsehern integrierten Digital-Empfänger zum Zug.
Diese Einigung wurde seit langem gewünscht und erwartet. Doch nun tauchen zusätzliche Bedingungen auf, von denen bislang keine Rede war. Im Zuge technischer Neuerungen wie Festplattenreceiver wünschen Kabelnetzbetreiber und Privatsender jetzt mehr Kontrolle, auf welche Weise die übertragenen Programme angesehen werden. Wer Sendungen mit einem Festplattenrekorder aufzeichnet, kann etwa Werbung problemlos überspringen. Machen sich das zahlreiche Zuschauer zur Gewohnheit, ist das Geschäftsmodell der Privatsender beim Teufel – niemand schaltet mehr Werbung.
Es gibt jedoch ein Gegenmittel: Im DVB-Übertragungsstandard für Digitalfernsehen die technische Finesse enthalten, dass sich Festplattenrekordern zusammen mit den Sendungen eine Info übermitteln lässt, Vorspulen sei hier nicht erlaubt. Daraufhin verliert die Vorspultaste auf der Fernbedienung für diese Sendung ihre Wirkung. Um eine solche Funktion aktivieren zu können, bedarf es einer entsprechenden Software im Empfänger – und CI-Plus-Receiver sollen sie beinhalten.
Auf diese Art lässt sich aber nicht nur das Vorspulen verhindern. Privatsender, Pay-TV-Anbieter oder Kabelnetzbetreiber können auch dagegen Einspruch erheben, dass eine Sendung überhaupt aufgezeichnet wird – etwa der neueste Blockbuster in HD. Oder sie können eine Höchstzahl an Abspielvorgängen festlegen. Oder sie können einen Termin übermitteln, bis wann eine Sendung abspielbar ist, danach wird sie automatisch gelöscht. Sogar das fallweise Unterbinden oder zeitliche Begrenzen von Time-Shifting ist im Gespräch, um die Zuschauer an den festen Programmablauf zu binden. Mit Selbstbestimmung hat das trotz Festplattenluxus freilich nichts mehr zu tun.
Erheblicher Diskussionsbedarf
In wie hohem Maß und vom wem die Kontrollmöglichkeiten ausgeschöpft werden könnten, ist derzeit noch unklar. Denn die Diskussion, welche Rechte der TV-Zuschauer auch zukünftig noch haben sollte, hat erst begonnen. So ist etwa offen, ob man von seinem Pay-TV-Anbieter Aufzeichnungsrechte für integrierte Festplatten erworben hat, solange man keine dauerhafte Zweitkopie erstellen kann. Die Privatsender wiederum verteidigen ihr Finanzierungsmodell: Ohne Werbung seien sie nicht in der Lage, ihr TV-Angebot weiter aufrecht zu erhalten, was sicher auch nicht im Sinne der Zuschauer sei.
Ihr Argument relativiert die Ankündigung der frei empfangbaren, öffentlich-rechtlichen Programme, die der etwaigen Zuschauersteuerung eine klare Absage erteilen. Denn was zunächst wie ein Geschenk wirkt, bezahlt der TV-Gucker mit seinen GEZ-Gebühren jeden Monat aufs Neue.
Wann CI Plus tatsächlich kommt, ist in Anbetracht der Unklarheiten noch offen. Was als große Aussöhnung zwischen Programmanbietern, TV-Netzbetreibern und Geräteindustrie geplant war, um einen offenen Markt zu gewährleisten, spaltet die TV-Welt derzeit eher in mehrere Lager. Nichts desto Trotz bauen bereits jetzt einige TV-Hersteller CI-Plus-Schächte ein und proklamieren sie als zukunftssicher. Auch Produzenten von Set-Top-Boxen haben auf der IFA CI-Plus-Varianten vorgestellt. Und der größte Kabelnetzbetreiber Deutschlands, Kabel Deutschland (KDG) sagt für nächstes Jahr die Unterstützung der Schnittstelle zu. Dennoch scheint derzeit unklar, wann und in welcher Form CI Plus letztlich tatsächlich eingeführt wird.
Fazit: Abwarten
Stand der Dinge ist derzeit, dass man nur für etwaige Pay-TV-Angebote einen CI-Plus-Receiver benötigen wird. Alle aktuellen frei empfangbaren Programme im Kabel oder via Sat sind dagegen mit jeder Box erhältlich. Will man nur sie sehen, kann man seinen alten Digitalempfänger bis auf Weiteres behalten oder einen beliebigen anderen kaufen. Reagieren muss man erst, wenn man ein etwaiges zukünftiges Abo abschließen möchte.
Allerdings ist nicht zu erwarten, dass dies bis in alle Ewigkeit so bleibt. Es ist möglich, dass die Privatsender ihr Programm bereits in absehbarer Zeit grundverschlüsseln werden. Der Empfang dürfte dann zwar weiterhin kostenlos sein, doch die Decodierung würde zwangsweise über CI Plus stattfinden – was sämtliche oben genannten Steuerungsmechanismen freischaltet. Bis das der Fall ist, kann man allerdings wiederum alles beim Alten lassen.
Aufatmen dürfen derzeit Sky-Abonnenten. Nach Auskunft des Abo-Senders erfülle man stets lediglich die Auflagen der Filmindustrie. Daher gebe es für Filme des Angebots „Pay-per-View“ seit Anfang an ein generelles Aufnahmeverbot. Andere Sperrmechanismen verwende man weder bei den aktuellen Sky-zertifizierten Festplattenempfängern, noch wolle man dies bei etwaigem zukünftigen CI-Plus-Empfang einführen.
Ganz anders sieht dies bei dem neuen High-Definition-Angebot HD+ des Satellitenbetreibers Astra aus. Er bündelt Privatprogramme, rechnet sie auf HD-Auflösung hoch und überträgt sie verschlüsselt. „Echte“, in HD produzierte Sendungen wird es hier zunächst nur wenige geben. Dennoch soll die Kost kosten, der Preis steht lediglich noch nicht fest. Im Laufe dieses Jahres will Astra starten – und mangels CI Plus eigene Boxen präsentieren, die alle beschriebenen Steuerungsmechanismen beherrschen. Ob dabei die ungeliebten Festplattenreceiver überhaupt mit von der Partie sein werden, ist offen. Angekündigt ist, später auch auf Basis von CI Plus zu übertragen. Kurz: Von dem Angebot HD+ ist hinsichtlich Angebot wie auch Komfort derzeit eher abzuraten und muss nicht Anlass sein, zu Hause etwas zu verändern.
Wer allerdings früher oder später auf CI Plus umrüsten möchte oder muss, kommt um den Kauf eines neuen Receivers nicht herum. Die bisherigen CI-Boxen sind nicht per Softwareupdate auf den aktuellen Stand zu bringen, da auch wichtige Unterschiede in der Hardware bestehen.