Ganz anders
Und nun zum Pudels Kern. Der Qutest enthält, wie alle D/A-Wandler von Chord, keinen klassischen DAC-Chip. Statt eines solchen leistet im Qutest ein FPGA von Xilinx, genau gesagt, der Artix 7 (XC7A15T), die Rechenarbeit. Das Kürzel »FPGA« steht für »Field Programmable Gate Array«; bei diesen Bauteilen handelt es sich um ICs, deren Schaltungsstruktur mithilfe einer Hardware-Beschreibungssprache frei programmiert werden kann. Der 64-Bit-Prozessor im Qutest hat alle Hände voll zu tun, denn er verarbeitet im Rahmen der proprietären Impuls-Array-Wandlertechnologie sehr rechenintensive Rekonstruktionsfilter und Noise-Shaping-Algorithmen. Rob Watts ist der Kopf hinter diesen Entwicklungen, der Waliser entwirft seit rund zwanzig Jahren die Digital-Technologie für Chord. Seine so genannten WTA-Filter (Watts Transient Alignment) berücksichtigen die Erkenntnis, dass das menschliche Gehör äußerst sensibel für Einschwingvorgänge und minimale Zeitfehler im reproduzierten Signal ist; sie sind daher impulsoptimiert und rekonstruieren dank ihrer Filterlänge die analoge Wellenform in sehr feinen Schritten. Zuvor greift ein Receiverchip mit integriertem Pufferspeicher und Taktgeber die Eingangssignale direkt an den Schnittstellen ab und leitet sie neugetaktet an das WTA-Filter weiter. Die eingangs erwähnten Filtercharakteristiken umfassen zwei neutrale Filter, wobei eines ab 20 kHz steilflankig abfällt, um Hochfrequenz-Verzerrungen und Rauschen aus PCM-Files mit hohen Abtastraten herauszufiltern. Zwei weitere Filter verlassen den linearen Pfad und gestatten ein wärmeres Timbre, wobei einer dieser Filter ebenfalls einen Hochpass beinhaltet. Deren wärmere Abstimmung ist moderat gehalten, sodass sie je nach Aufnahme tatsächlich angenehmer sein können und den Qutest keineswegs tonal »verbiegen«.
Dennoch habe ich mich während der Hörtests für das gänzlich neutrale Filter entschieden; um das ganze Potenzial dieses Wandlers auszureizen, kam nach dem MacBook auch der Musikserver Xo-One von X-odos zum Einsatz. Das Giovanni Guidi Trio hat mit dem Album »City Of Broken Dreams« ein wundervolles Werk geschaffen, das zu meinen Jazz-Favoriten zählt und bei jeder Klangbeurteilung mit von der Partie ist, daher bin ich mit der ausgezeichneten ECM-Einspielung inzwischen sehr vertraut. Der Qutest positioniert bei »The Way Some People Live« Schlagzeug, Piano und Bass auf einer sehr weitläufig ausgedehnten Bühne, die besonders in die Tiefe hinein hervorragend durchhörbar ist. Zwischen den Musikern lässt er großzügig Freiraum, skizziert die Instrumentenkörper absolut scharf umrissen und sehr plastisch wirkend. Gleichzeitig schenkt der Qutest auch dem Glanz ausschwingender Becken, der Fülle der Bassdrum und der sehnigen Autorität des Kontrabasses seine volle Aufmerksamkeit.
Anschließend spielt Mika Sasaki die drei Präludien und Fugen (Op. 16) von Clara Schumann; der kleine Chord zeichnet hierbei ein realistisch wirkendes Abbild des Pianos und gewährt förmlich einen Einblick in das Instrument: Selbst bei ganz sanften Tastenanschlägen sieht man nicht nur die Klaviatur vor dem geistigen Auge, man gewinnt eine lebhafte Vorstellung von den Saiten, die im Inneren des Korpus vibrieren. Hier tritt jedoch ganz besonders deutlich in den Vordergrund, was zuvor bereits auffiel: Der Qutest spielt völlig geschmeidig, gibt sich wie selbstverständlich dem musikalischen Fluss hin und garniert seine Darbietung mit jener luftig-leichten Natürlichkeit, die dazu provoziert, die Analytik beiseite zu schieben und Musik zu hören. Doch so schnell gebe ich nicht auf, ich will noch wissen, was sich mit diesem Wandler ganz unten im Frequenzkeller abspielt: »In Silence«, der neueste Track von Amelie Lens, dem Techno-Shootingstar aus Antwerpen, ist dafür ideal geeignet. Der Qutest schleudert hierbei die knallharten, trockenen Beats mit ihrer ganzen Schwärze aus seiner Ausgangsstufe und verleiht diesem Spektakel mit abgrundtiefen Basslines das richtige Fundament. Bei so einer reifen Vorstellung kann ich nur eins sagen: Bravo!