Verführerisch
Obwohl auch hochwertige Kompaktlautsprecher häufig als »Regallautsprecher« bezeichnet werden, gehören sie ausgerechnet dort nicht hin. Deshalb bietet Sonus faber passende, für die Olympica I entwickelte Stative an, deren Säule sowie die Boden- und Top-Platten aus Aluminium hergestellt werden. Auf ihnen wird die Olympica I mit jeweils einer Rändelschraube pro Seite fixiert; unterschiedlich lange, aus rostfreiem Stahl gedrehte Spikes sorgen für die richtige Neigung des Lautsprechers. Die Stativsäule ist von den gleichen dünnen, schwarzen Kordeln umgeben, die auch für die Sonus faber-Frontbespannungen verwendet werden, und greift so dieses charakteristische Designmerkmal auf. Bei der Aufstellung der Olympica I ist keine Millimeterarbeit gefragt, sie erweist sich als völlig unkompliziert und erlaubt auch bezüglich ihrer Einwinkelung viel Spielraum, wobei ich sie so weit eingedreht habe, dass sich die Hochtonachsen etwa einen Meter hinter dem Hörplatz kreuzen.
Doch auch bei einer geraderen Ausrichtung zeigt die Olympica I dem Hörer sofort, mit wem er es zu tun hat. Hélène Grimaud spielt mit den Wiener Philharmonikern unter Andris Nelsons das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 in B-Dur (Op. 83) von Brahms; die Olympica I platziert das Orchester auf einer sehr weitläufig ausgedehnten Bühne und liefert eine genau nachvollziehbare Aufteilung der Instrumentengruppen. Mit außerordentlich präziser Fokussierung und einer dreidimensionalen Raumabbildung spielt sie die Stärken eines gekonnt abgestimmten, kompakten Zweiwege-Konzeptes ganz aus, aber sie vermag auch, sowohl das Volumen als auch den tonalen Umfang des Orchesters in Szene zu setzen. Celli und Kontrabässen verleiht die Olympica I bei dieser Einspielung ihren sonoren Charakter mit einer Selbstverständlichkeit, die über ihre Physis hinwegtäuscht.
Das verleitet mich, ihre Tieftonqualitäten mit den elektronischen Bassläufen in »The Truth« von Jade auszuloten. Dieser Herausforderung begegnet die Olympica I ganz souverän, indem sie die Beats trocken-impulsiv in den Raum wirft. Bei sehr tiefen Loops tariert sie ihre Grenzen genau aus, überschreitet sie nicht und bleibt statt dessen immer völlig kontrolliert. Selbst bei diesem Titel fällt ihre feindynamische Agilität und ihr außergewöhnliches Auflösungsvermögen auf, sie präsentiert jedes subtile Detail der effektvollen Abmischung unüberhörbar deutlich. Der südkoreanische Pianist Seong-Jin Cho spielt mit dem Londoner Symphonieorchester unter der Leitung von Gianandrea Noseda die Ballade Nr. 4 in f-Moll (Op. 52) von Chopin in einer sehr gelungenen Einspielung, die mit der Olympica I zum Hochgenuss wird. Sie macht aufgrund ihrer eigenen Größe aus dem Flügel beileibe kein »Mäuseklavier«, sondern stellt einen scharf gezeichneten Korpus mit glaubhaften Dimensionen dar und ermöglicht sogar, die autoritäre Präsenz des Instruments zu erfahren. Zugleich entfalten sich auch in schnellen, kompositorisch dichten Passagen einzelne Noten in ihrer ganzen Klangfarbenpracht, werden als komplexe Gebilde hervorgehoben und bleiben dennoch als Teil des stimmigen Ganzen eingebunden. Diese integrative, völlig schlüssige Spielweise zeichnet die Olympica I ganz insbesondere aus und lässt sie aus audiophiler Sicht ganz groß dastehen.