Musikalische Hochspannung
Im Grunde verrät das schon ihr Name, denn „HV“ ist das Kürzel für „High Voltage“, hohe Spannung also. Einfach gesagt kennzeichnet sich die HV-Technologie dadurch, dass Verstärkerstufen, inklusive Ausgangsstufen von Quellgeräten, mit außergewöhnlich hoher Betriebsspannung angesteuert werden. Im Falle des PA 3000 HV wird dessen Vorstufe mit 80 Volt Versorgungsspannung gefahren, seine Endstufe mit sage und schreibe 360 Volt. Das Prinzip ist von Röhren-Schaltungen bekannt, bei denen eine hohe Ruhespannung dafür sorgt, dass sich mit den Kennlinien der Röhren optimal arbeiten lässt. Und genau dasselbe wird bei Transistor-Elektronik ermöglicht: Weil die Aussteuerung der Verstärkerstufen dank der hohen Betriebsspannung in jeder Situation gering bleibt, nutzt der PA 3000 HV durch diesen Headroom nur knapp 20 Prozent des Kennlinien-Bereichs seiner Transistoren aus. Dadurch können die Transistoren immer innerhalb ihres optimalen Arbeitsbereichs gehalten werden, deren Kennlinien-Krümmung - der Bereich, in dem Nicht-Linearitäten auftreten - wird so in der Praxis eliminiert.
Eine vorbildliche Linearität der Verstärkerstufen ist zwar hauptsächlich Sinn der High-Voltage-Technologie, jedoch nicht der einzige Vorteil der Ansteuerung mit sehr hoher Betriebsspannung: Darüber hinaus lässt sich mit ihr ein besonders hoher Dynamikumfang erzielen. Von den weiteren Maßnahmen zur Linearisierung der Spannungsverstärker-Stufen seien hier nur noch die kreuzgekoppelten Differenzverstärker-Kaskoden erwähnt, denn bei aller außergewöhnlichen Technologie interessiert vor allem das Ergebnis.
Für unsere Hörtests haben wir den MP 3000 HV über das Oehlbach XXL Black Connection Master mit dem PA 3000 HV verbunden und das Oehlbach XXL Fusion 4 B zu unseren Referenz-Arbeitsgeräten Elac FS 507 VX-JET geführt, die Elektronik nahm „pur“ in einem robusten Holzmöbel und zwischenzeitlich auf zusätzlichen Gerätebasen von Audio Exklusiv Platz, die noch etwas mehr Ruhe und Feinzeichnung ins Spiel bringen konnten. Allerdings erwiesen sich die T+A als weitreichend unanfällig für den Untergrund, was unter anderem ihren justierbaren Entkopplungsfüßen zu verdanken sein dürfte. Nach einigen Touren mit Jazz und Electro ist Diana Krall im Hörraum zu Gast, mit ihrem Album „Wallflower“ - die Präsenz der Darbietung legt diese Formulierung nahe, denn das Herforder Duo transportiert die intime Atmosphäre und Energie der Aufnahme, verleiht der Stimme Körper und lässt sie vibrieren. Dazu zeigen MP 3000 HV und PA 3000 HV Details praktisch ohne Ende - mit absolut geordnetem Überblick auf das Gesamtgeschehen. Joshua Bell spielt mit der Academy Of St. Martin In The Fields eine Auswahl von Bach-Werken, darunter die Konzerte für Violine Nr. 1 und Nr. 2. Eine solche Einspielung mag nicht allzu herausfordernd erscheinen, allerdings offenbaren herausragende Komponenten auch an solcher Stelle ihre Klasse. Die Performance des MP 3000 HV und des PA 3000 HV bewegt sich außerhalb herkömmlicher Kriterien, soll heißen: Den wunderbaren Schmelz der Violine, das Schwingen ihres Timbres in allen Nuancen zu vermitteln ist für diese beiden eine leichte Übung. Ebenso wie auch bei komplexen Aufnahmen eine glaubhaft wirkende räumliche Abbildung zu bewerkstelligen oder eine immense Fülle tonaler und dynamischer Details in eine absolut harmonische, geschlossene Vorstellung einzubinden. Ein Beispiel für das, was den MP 3000 HV und den PA 3000 HV nachdrücklich als Elektronik auf Weltklasse-Niveau ausweist: Sie machen nicht nur die Dimension und den Klangkörper eines so vergleichsweise filigranen Instruments wie einer Violine unmittelbar erfahrbar, sie ermöglichen dem Hörer, die Silhouette ihres Holzkorpus geradezu nachzuzeichnen.
Für mich besonders aufschlussreich ist eine seit einiger Zeit sehr häufig gehörte, hervorragende und sehr anspruchsvolle Einspielung von Reference Recordings: Stravinskys Firebird Suite, gespielt vom Minnesota Orchestra unter der Leitung von Eiji Oue. Was soll man dazu sagen? Der MP 3000 HV und der PA 3000 HV sind einfach nicht zu beirren, der Verstärker bietet ein sehr tiefreichendes, kraftvolles und staubtrockenes Tieftonfundament, geht völlig präzise mit bedingungslos wirkender Kontrolle ans Werk. Mittlerweile ist der Abhörpegel so eingestellt, dass Orchestereinsätze eine authentische Lautstärke haben, doch den PA 3000 HV beeindruckt das überhaupt nicht. Er schält eben noch das zarteste Flirren in den leisen Passagen so eindringlich heraus, dass schon während dessen die sich langsam aufbauende Spannung auf den Hörer übergreift, gibt einer im Hintergrund zurückhaltend gespielten Klarinette die Bühne frei und entfesselt im nächsten Moment die ganze Kraft eines Fortissimo - völlig locker aus dem Ärmel geschüttelt. Eine durch und durch wirklich ganz große Vorstellung!