Neodym-Magnet: kleiner, leichter ... Genau so gut?
Je schwerer desto besser. Dieser Satz ist nach Jahren der Beschäftigung mit Unterhaltungselektronik in so manchem Hirn fest verankert. Wo hat diese Aussage ihre Wurzel?
Masse gleich Klasse?
Jeder Verstärker, der klanglich für gut befunden wurde, muss noch eine entscheidende Hürde nehmen: den Hebetest. Endet der kurz vor dem Bandscheibenvorfall, sprich das Gerät bringt ordentlich Kilos auf die Waage, dann ist alles in Ordnung. So hat sich eingebürgert, dass ausgezeichnete Klangqualität in proportionalem Verhältnis zum Gewicht des Produkts steht.
Gleiches gilt auch für Lautsprecher-Chassis, also für all die vielen Bass-, Mittelton- und Hochtonsysteme. Ein Bass kann eben nur dann richtig prima klingen, wenn am Ende des Korbes ein kiloschwerer Magnet hängt.
Wie schnell derartige Märchen an Eigendynamik gewinnen können, will das AV-Magazin anhand einer Geschichte berichten:
Peter Sänger entschied sich nach dem Lesen eines Testberichts, in dem es um Surroundlautsprecher ging, den Sieger des Vergleichs direkt beim Hersteller zu bestellen. Da Herr Sänger von der ganz genauen Sorte ist, überprüfte und verglich er die gelieferten Boxen mit den Abbildungen in der Zeitung. Zunächst gab es keine Abweichungen, aber als er dann die Lautsprecher auf die Waage stellte, schien sich seine Vermutung zu bestätigen. Die Testlautsprecher waren laut dortiger Angabe doppelt so schwer wie die, die er in Händen hielt. Sie können sich vorstellen, was im Anschluss passierte? Sänger flitzte zum Telefon, wählte die Nummer des Herstellers und macht seinem Ärger Luft. Von wegen Betrug mit speziellen Testlautsprechern, die sich hinterher von Serienexemplaren massiv unterscheiden. Der Produzent des Lautsprechers fiel aus allen Wolken, denn Betrug gehört mit absoluter Sicherheit nicht zu seinen Geschäftspraktiken. Da Sänger nicht der einzige Kunde war, dem auffiel, dass die Boxen leichter wurden, beschlossen wir herauszufinden, was der Stein des Anstoßes wirklich war.
Schlüssel zur Antwort ist der Magnetwerkstoff Neodym, welcher in der Erdkruste sehr häufig vorkommt. Für die Konstruktion eines Neodym-Magneten benötigt man allerdings nur einen relativ kleinen Prozentsatz dieser „Seltenen Erden“. Da sie korrosionsanfällig sind, müssen sie beschichtet werden, was nur in einem äußerst vorsichtigen Prozess geschehen darf, da mit zunehmender Temperatur die Entmagnetisierungskurven im Verlauf ansteigen und somit die Antriebsleistung abnimmt. Beim Chassis taucht eine Spule in den Magneten ein. Durch das magnetische Feld wird die Spule in ihrer Ruheposition gehalten. Signale vom Verstärker sorgen dafür, dass sich die Spule in dem Magneten bewegt und auf diese Weise aus dem elektrischen ein akustisches Signal wird. Nimmt die Magnetleistung ab, verschlechtert sich das Impulsverhalten des Chassis und die Wiedergabe wird unpräzise. Deshalb ist es für den Betrieb eines Chassismagneten von qualitativer Bedeutung, dass die Antriebskraft erhalten bleibt.
Inzwischen gibt es bezahlbare Legierungen, welche die Konstruktion von Neodymmagneten zulassen, die jeden anderen Permanentmagneten in puncto Feldstärke hinter sich lassen und das mit kleinerer und leichterer Bauform. Dass diese Magneten bisher noch nicht so weit verbreitet sind, liegt an dem bis dato sehr hohen Preis. Rationellere Fertigungsmethoden sorgen inzwischen dafür, dass Neodym-Magnete preislich mit konventionellen Konstruktionen mithalten können.
Was hat ein Hersteller von Lautsprecherboxen davon?
Er kann bei gleicher Energieausbeute den Antriebsmagneten des Chassis kleiner und leichter gestalten, was sowohl Gewicht als auch Volumen spart. Im Falle eines Subwoofers kann das rund sechs Kilogramm weniger bedeuten. Damit wird eine der häufigsten Schadensursachen beim Transport von Lautsprechern nachhaltig reduziert, und wie erste Erfahrungen belegen, sogar vollständig verhindert. Denn reisst durch unsachgemäßen Transport der Magnet ab, ist meist nicht nur das Chassis davon betroffen, sondern auch weitere empfindliche Teile der Box wie beispielsweise die Frequenzweiche. Aber da war doch noch etwas mit nachlassender Antriebskraft, wenn Wärme entsteht und die wird sicher produziert, wenn sich die Spule im Magneten bewegt. Hier kann nichts passieren, weil inzwischen belüfte Körbe eingesetzt werden. Messreihen belegen, dass selbst härteste und damit kaum noch praxisgerechte Tests von den Magneten unbeschadet überstanden werden. Klanglich sind zwischen konventionellen und Neodym-Magneten keine Unterschiede zu erwarten.
Klartext
Peter Sänger machte den akustischen Test und war sich nach einiger Zeit sicher, dass es zwischen den verschiedenen Antrieben keinen klanglichen Unterschied gibt. Der Hersteller hatte schlicht und ergreifend in der laufenden Serienproduktion den Magneten geändert - mehr nicht.