Musikalischer Feinsinn
Für HiFi-Zwecke sicherlich nicht so interessant, aber zur Ausstrahlung dieses Plattenspielers allemal dazugehörig ist die Möglichkeit, die Drehzahl stufenlos um bis zu acht Prozent zu verlangsamen oder zu erhöhen; eine Umschaltung des Pitch Control erweitert den Regelbereich sogar auf bis zu sechzehn Prozent nach oben. Obwohl die gewählte Drehzahlanpassung auch per Knopfdruck auf die Solldrehzahl zurück gestellt werden kann, verfügt der SL-1200GR natürlich auch über die angeleuchtete Stroboskopmarkierung am Tellerrand, und obendrein ziert eine zuschaltbare Beleuchtung der Einlaufrille diesen Dreher - ohne diese charakteristischen Merkmale hätte der SL-1200GR einfach nicht dieselbe ikonische Anmutung und wäre kein Technics SL-1200er.
Der Tonarm sorgt mit seinem S-förmigen, aus Aluminium hergestellten Tonarmrohr gleichfalls für ein gewohntes Erscheinungsbild. Er ist kardanisch aufgehängt und soll der Rille dank präzise gefräster Lagerschenkel und in Präzisions-Nadellagern geführten Lagerachsen exakt folgen. Ein zum Lieferumfang gehörendes, zusätzliches Gegengewicht ermöglicht eine sehr weitreichende Anpassung an unterschiedliche Systemgewichte, so dass selbst exotischere Tonabnehmer mit außergewöhnlich geringer oder außergewöhnlich hoher Masse verwendet werden können. Wenn man unterschiedliche Tonabnehmer verwenden möchte, kann man sich ein zweites Exemplar der austauschbaren Headshell zulegen und so einen fliegenden Wechsel durchführen. Wir haben es für die Hörtests allerdings beim preislich und klanglich ausgezeichnet passenden, exemplarisch von Technics empfohlenen Ortofon 2M Blue belassen, denn dieses MM-System zeichnet sich durch hohes Auflösungsvermögen und tonale Neutralität sowie hervorragende dynamische Fähigkeiten aus. Als Lautsprecher dienten die kürzlich hier vorgestellten Technics SB-G90; im Zuge eines Anlagentests haben wir den SL-1200GR hauptsächlich mit der im SU-G700 integrierten MM-Vorverstärkungsstufe gehört, den wir zusammen mit den Lautsprechern getestet hatten. Vergleichend haben wir das integrierte Phonomodul des Yamaha A-S3000 und die separate Phonovorstufe Black Cube SE II von Lehmannaudio genutzt. Eine musikalische Legende liegt auf dem Teller des SL-1200GR: Das Album «The Best of Dire Straits & Mark Knopfler - Private Investigations», das ausgezeichnet gepresst wurde. Schon vor dem ersten Ton setzt sich der SL-1200GR hier positiv in Szene, denn während die Nadel noch in der Einlaufrille läuft, herrscht bei einer gehobenen Lautstärkeeinstellung Stille - neben der Pressung, dem Pflegezustand der Scheibe, dem Tonabnehmer und der Vorstufe hat auch das Laufwerk, beziehungsweise eine Laufwerk-Tonarm-Kombination, hierauf sehr großen Einfluss. Dasselbe gilt für den klanglichen Eindruck insgesamt: Bei ansonsten identischen Rahmenbedingungen, inklusive desselben Tonarmtyps, bewirken auch unterschiedliche Laufwerke allein gravierende Klangunterschiede. Daher werden Sie, wenn Sie Tonabnehmer und Vorstufen vergleichbarer Qualität einsetzen, unsere Höreindrücke nachvollziehen können.
«Private Investigations» ist ein Titel, der sowohl mit seiner großen dynamischen Bandbreite als auch mit Subtilitäten fordert. Der SL-1200GR fächert hier in den leisen Passagen feinste Nuancen auf und lässt die Gitarre und die zunächst hintergründige Percussion mit viel Gespür für Atmosphäre anschwellen. Wenn es dann vor allem am Schlagzeug zur Sache geht, kennt auch dieser Plattenspieler kein Halten und beweist hervorragende Durchschlagskraft, wobei die mühelose Ausleuchtung der Raumtiefe stabil bleibt. Scheiben von Cassandra Wilson, Norah Jones und Kari Bremnes bestätigen anschließend, welch große Kluft sich zwischen seinem Feingefühl für musikalische Details und seiner zwar reizvollen, aber sehr robust wirkenden Erscheinung auftut. Der SL-1200GR zeichnet Instrumente mit scharfer Kontur nach und bringt die jeweilige Gesangscharakteristik dieser ganz verschieden agierenden Damen in vollem Umfang zur Geltung, gibt ihnen dabei auch Luft zum Atmen. Bei dem ersten Stück »Sangen om fyret ved Tornehamn« von Kari Bremnes´ Album »Svarta Bjørn« lässt sich besonders gut heraushören, wie ausgezeichnet dieser Antrieb seine Arbeit verrichtet: Die langsame, melancholisch angehauchte Melodie fließt nur so sanft getragen dahin, darüber schwebt förmlich eine Stimme, die unter die Haut geht - das ist Laufruhe, die man deutlich hören kann. «Minimum - Maximum» von Kraftwerk ist demgegenüber ein sehr wuchtiges Kaliber, doch dieser Scheibendreher geht auch mit dem darauf gebotenen Frequenzkeller souverän um, lässt die typisch blubbernden Bassläufe locker und kontrolliert gen Hörer drücken. Mal sehen, was der SL-1200GR mit einer audiophilen Einspielung und ebensolchen Pressung eines klassischen Orchesters anfängt: Eiji Oue leitet das Minnesota Orchestra bei Stravinskys Firebird Suite, diese 200-Gramm-LP verewigt ein Half-Speed-Master von Reference Recordings. Selbst angesichts einer solchen Herausforderung gibt sich der Technics tatsächlich keine Blöße, staffelt die Musiker akkurat und folgt dem furiosen Geschehen, ohne nervös zu wirken. Diese reifen Vorstellungen gestatten nur ein Fazit: Der SL-1200GR sieht zwar aus wie für den Club gemacht, empfiehlt sich aber klanglich mit Nachdruck für die HiFi-Racks anspruchsvoller Schallplatten-Liebhaber.