Wie sollte ein Raum klingen?
Für Raumakustik-Profis wie Uwe Kempe von w vier beginnt die Wissenschaft tatsächlich schon vor dem ersten Messton, denn bei der Optimierung eines Hörumfeldes lautet die erste wichtige Frage: Wie soll es eigentlich klingen? „Möglichst gut natürlich!“ wird der unbefleckte Musikfreund spontan antworten, doch bei dieser Zielsetzung spielt mehr eine gewichtige Rolle als Daten und Messdiagramme. Zuallererst wird der primäre Zweck eines Hörraums bestimmt, sprich grundsätzlich unterschieden, ob es sich um einen Hörraum zum Privatvergnügen, ein Ton- beziehungsweise Masteringstudio oder eben einen Entwicklungsraum wie im Falle von Audionet handelt. Die beiden Anwendungsfälle Tonstudio und Testhörraum liegen indes mit Blick auf die anzustrebenden raumakustischen Eigenschaften relativ nahe beieinander, um zuhause subjektiv empfunden möglichst packend Musik zu genießen, sieht der Anforderungskatalog für den Raumakustik-Designer im Detail durchaus etwas anders aus.
Für den audiophilen Hausgebrauch erscheint grundsätzlich eine tendentiell lebendigere Charakteristik der Raumakustik sinnvoll, auf den persönlichen Hörgeschmack abgestimmt wird in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden die individuell richtige Balance zwischen tonaler Ausgewogenheit und Intensität austariert. Profis am Mischpult hingegen benötigen für ihre Arbeit ein Höchstmaß akustischer Neutralität im Abhörraum, kleine raumakustische Effekte wie eine leichte Überbetonung des Grundtonbereichs etwa, die zuhause vielleicht charmant wirken, stören als schwer kalkulierbare Variable die filigrane klangliche Abstimmung einer Einspielung.
Für den audiophilen Hausgebrauch empfiehlt sich eine tendentiell lebendige Raumakustik
Letztgültig gibt es bei der akustischen Gestaltung eines Raumes ebenso wenig eine absolute Wahrheit wie bei der Zusammenstellung einer Musikanlage, obgleich es auf hohem Niveau bei der Kreation einer gewollten raumakustischen Note nur um Nuancen geht, die subjektiv unterschiedlich bewertet werden können. Wie höchstwertige Komponenten auch muss ein raumakustisches Konzept eine Menge objektivierbarer Kriterien erfüllen, bevor Geschmäcker über letzte Details entscheiden dürfen. Dementsprechend überwiegen die Gemeinsamkeiten der Erfordernisse für eine raumakustische Optimierung, sowohl analytisches Hören als auch heimischer Musikgenuss setzt einerseits die Minimierung ungünstiger raumakustischer Eigenschaften und andererseits konstruktives Arbeiten mit dem Raum voraus.
Ein vollständig mit den berühmten Eierkartons und Schaumstoff-Matten ausgekleideter Raum dagegen würde nicht einmal einem Toningenieur helfen, denn wir brauchen das richtige Maß an Raumreflexionen um überhaupt gut hören zu können: Das Gehör ist ein äußerst sensibler Drucksensor, der vom Lautsprecher erzeugte Luftdruckdifferenzen wahrnimmt. In einer fast vollständig schalltoten Kammer würden wir sehr schlecht hören, weil wir hauptsächlich nur den Direktschall wahrnehmen könnten, da die sich ausbreitenden Schallwellen nur schwach zu unseren Hörmuscheln zurück reflektiert würden. Raumakustische Optimierung muss folglich mit dem Raum arbeiten und ihn akustisch relativ neutral gestalten ohne ihn „tot zu dämmen“. Für stereophonen Musikgenuss spielt ein günstiger Signalverlauf im Raum eine besonders wichtige Rolle, denn die Wahrnehmung von Schallanteilen hinter dem Hörer wird über den Weg des Schalls im Raum konstruiert.