Deutschland-Premiere Sonus faber Fenice
Alora Fenice
Im Juni vergangenen Jahres präsentierte Sonus faber im Palazzo Grassi in Venedig ein neues Lautsprecher-Statement, dessen schlicht-ergreifender Name „Fenice“ bereits einen deutlichen Hinweis auf ultimativen Anspruch ausdrückt. Kürzlich feierte der Ausnahme-Lautsprecher bei Audio Reference in Hamburg seine Deutschland-Premiere.
Reportage von Marius Dondadello 21. Januar 2011
„Fenice“, das bedeutet auch „fertig“ im Sinne von „endgültig“, wird nur 30 Mal gebaut werden. Diese 160.000 Euro teure Klangskulptur repräsentiert die Summe über dreißigjähriger Erfahrung und Entwicklungsarbeit, gleichzeitig weist sie als bis dato radikalstes Konzept aus Vicenza einen neuen Weg für Sonus faber und legt den Grundstein für kommende Lautsprecher. Fenice enthält neue Patente und konstruktive Merkmale, die teils in der Vergangenheit nicht umgesetzt worden waren, um die absolute Maßgabe graziler Anmutung zu wahren. Sonus faber ist Synonym für perfekte handwerkliche Qualität und minutiöse Ästhetik; herausragend verarbeitete, edle Materialien und immenser Fertigungsaufwand brachten Lautsprecher hervor, die hinsichtlich gestalterischer Liebe zum Detail kaum Ebenbürtiges finden - dementsprechend gab es keinen Platz für ein 38 Zentimeter großes Basschassis.
Dennoch konnte man den italienischen Kreationen nie vorwerfen, nur gut auszusehen, denn die Ingenieure bei Sonus faber hatten immer ein ausgeprägtes Gespür für vorbehaltlos überzeugende Abstimmung ihrer Lautsprecher. Die Erwartungen an die Fenice waren dementsprechend besonders hoch, das tatsächliche Klangerlebnis, das „The Sonus faber“ den zur Deutschland-Premiere anwesenden Presse-Vertretern bot, lässt sich jedoch kaum antizipieren.
Bis dahin war es allerdings ein weiter Weg, denn tief winterliche Wetterverhältnisse bescherten allen Gästen gehörige Verspätung und angeritzte Nerven, besonders für den von Venedig angereisten Chefentwickler Paolo Tezzon war die Verkehrslogistik zur beschwerlichen Odyssee ausgeufert. Endlich im großen Stereo-Präsentationsraum von Audio Reference angekommen, sorgten allerdings verheißungsvolle Ausblicke sofort für eine Erwärmung der Gemüter: Zwei der gigantischen Mono-Blöcke Krell Master Reference Amplifier heizten sich und den Raum auf, um die Chassis der noch mit purpurnem Tuch verhüllten Super-Lautsprecher weiter geschmeidig zu machen. Nach einem vorzüglichen italienischen Abendessen dann der große Moment: Paolo Tezzon enthüllt die Fenice und für einen Augenblick herrscht Schweigen, eine Mischung aus beinahe ehrfürchtiger Inspektion und der Gewissheit über eine bevorstehende außergewöhnliche Erfahrung. Die Präsenz, die diese Lautsprecher ausstrahlen, rührt nicht allein von ihrer mächtigen Physis her, wieder einmal über jeden Zweifel erhabene Verarbeitungsqualität lässt die Augen genüsslich über jedes Detail streifen: Meisterlich poliertes Hochglanz-Echtholzfurnier, makellose Echtlederbezüge und stimmige Formensprache, deren Basis auch bei der Fenice dem Bogenradius einer Laute entsprechende Seitenteile bilden.
Technisch hält die Fenice bereits offenkundlich einige Überraschungen parat: Sie verfügt über ein gewaltiges Sub-Basschassis von 38 Zentimetern Durchmesser, dieser an der Innenseite positionierte Treiber mit einer Sandwich-Membran aus Spezialschaumstoff und Nano-Karbonfasern ventiliert in ein patentiertes Bassreflex-Volumen und kann im Pegel dreistufig reguliert werden. Oberhalb der rückwärtigen Austrittsöffnungen des sehr üppigen Bassreflex-Volumens ist ein 2-Wege-System eingelassen, welches der Fenice in hohen und mittleren Frequenzen eine Dipol-ähnliche Charakteristik verleiht. Dieses „Sound Field Shaper“ genannte Modul ermöglicht eine detaillierte Anpassung an akustische Verhältnisse und persönliche Präferenzen hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung beziehungsweise Fokussierung. Um solche unterschiedlichen Abstrahleigenschaften zu ermöglichen, wird das Gehäuse des rückseitigen 2-Wege-Moduls gemäß der gewählten Einstellungen von einem Motor geschwenkt.
Vorne ist ein modifizierter 25mm-Ringradiator in einer separaten, resonanzoptimierten Kammer für den Hochton zuständig, ein 165mm-Chassis mit einer von Naturfasern durchsetzen Zellulosemembran kümmert sich um das mittlere Frequenzspektrum. Zwei 250mm-Chassis reproduzieren den Tiefton oberhalb des Arbeitsbereichs des seitlichen Sub-Basschassis, ihre aus speziellem Schaumstoff gefertigten Sandwich-Membrane werden mit Zelluloselagen beschichtet.
Für die pro Stück 305 Kilogramm schwere Fenice entwickelte Paolo Tezzon ein neues Ankopplungskonzept, sie ruht nicht auf konventionellen Spikes. Statt dessen erlauben ihre Standfüße dem Gehäuse definiert in den Auslegern frei zu schwingen und koppeln nur an den Boden hart an. Das Gehäuse selbst wird ebenso wie die Chassis von einem ausgeklügelten, patentierten Dämpfungsmechanismus ruhig gestellt: Das „Mass Damper“ genannte Resonanzkontroll-System macht sich das Prinzip inverser Bewegungsenergie zunutze. Einer Erdbebensicherung großer Gebäude ähnlich werden im Inneren der Fenice „Gegengewichte“ von den Schwingungen der Chassis und bestimmter Gehäuseteile zu entgegengesetzten Bewegungen angeregt, die so deren kinetische Energie und damit jedwede Resonanz eliminieren - trotz der imposanten Dimensionen der Fenice muss man sich diese Bewegungen allerdings mikroskopisch minimal vorstellen.
In Summe verkörpert die edle Gestalt dieses 3,5-Wege-Lautsprechers mit sieben Chassis eine außerordentlich komplexe Technologie, von den Standfüßen bis zur Top-Platte ist die Fenice angefüllt mit Teilen, Systemen und konstruktiven Details, die optimal zusammen wirken müssen. Noch nie hat Sonus faber, bisher auch bei den Spitzenmodellen dem Credo ‚Weniger ist mehr‘ folgend, ein derart aufwändiges Konzept realisiert. Kann Fenice wirklich dank einiger neuer Lösungen auch mit der viel gerühmtem Stimmigkeit einer Sonus faber in ihren Bann ziehen?
Oh, sie kann - und wie! Dieser Lautsprecher vollbringt das fast unmöglich erscheinende Spagat zwischen einer kompromisslosen Full Range-Reproduktion, die man als solche ernster nicht nehmen kann, und der vorbehaltlosen Homogenität eines ausgereiften 2-Wege-Kompaktsystems. Die hörbaren Dimensionen der Fenice beeindrucken noch viel mehr als ihr Äußeres: Eine so riesige, sich auch bei großorchestralen Einspielungen tatsächlich den realen Verhältnissen annähernde Darstellung von Bühne und Saal ist ein Erlebnis für sich. Wenn die Fenice mit dem Raum verschmilzt und dieser von ihr beatmet wird, entfaltet sich Musik vom Tonträger mit einer Selbstverständlichkeit und Intensität, die äußerst rar ist. Eine absolut faszinierende Synthese aus schierer Autorität, körperlich spürbarer Präsenz und feenhafter Leichtfüßigkeit versetzt nach Stunden nicht minder in Verzückung als bei den ersten Tönen. Im Wortsinn subsonischer Tiefton, unglaublich straff, druckvoll und präzise, setzt dem Ganzen die Krone auf und trägt wesentlich dazu bei, dass anwesende Redakteure Zeit und eine gewisse audiophile Etikette vergessen: Sitzplatzreservierungen für die Rückfahrt haben keinen mehr interessiert, exorbitanter Genuss früher Pink Floyd-Werke hat zwei mal die separate Sicherung des Hörraums ansprechen lassen. Ein glücklicher Musikfreund, wer sich ein Paar dieses inzwischen ausverkauften Klangjuwels leisten konnte. Alle anderen können froh sein, dass Fenice der Anfang einer neuen Serie ist...