av-magazin.de: Herr Glisovic, Sie haben während der Pressekonferenz zur HIGH END 2007 berichtet, dass Besucher einer Messe stets aus dem Umkreis von 100 Kilometern stammen. Haben Sie sich als Veranstalter deshalb mit den Besucherzahlen in München zufrieden gegeben, die in den vergangenen beiden Jahren bei rund 12.000 gelegen haben?
Der Entscheidung nach München zu gehen, ging im Jahre 2002 eine lange Diskussion innerhalb der High End Society voraus, ob die HIGH END zukünftig eine große Publikumsmesse werden soll, oder ob sie vielmehr eine Spezialmesse bleiben soll, wo sich Fachbesucher aus aller Welt treffen. Die Entscheidung ist seinerzeit gegen eine Publikums-Großmesse getroffen worden und nur unter diesem Aspekt war der geografische Standort zweitrangig. Jetzt konnte eine Lokalität gesucht werden, die aus Sicht der Aussteller optimal ist. Und das war und ist das M,O,C. Hätten wir uns für eine Publikums-Großmesse entschieden, wären wir nach NRW gegangen, dann aber um den Preis, dass ausschließlich Messehallen in Frage gekommen wären. Seinerzeit wären die Konsequenzen sicher gewesen, dass speziell die kleinen, feinen Aussteller unter den Bedingungen gelitten hätten. Am Standort München zeigen auch die aktuellen Zahlen, dass der Zuwachs unserer Fachbesucher bedeutend ist und auch die Internationalität zunimmt. Natürlich ist uns der Endkunde als Besucher willkommen - er soll ja schließlich auch die ausgestellten Produkte kaufen - aber im Fokus der Entscheidung stand er damals eben nicht. Dennoch haben wir in diesem Jahr 2007 die Zahl unserer Besucher um 7% auf 13.000 erhöhen können, was erfreulich ist. An dieser Stelle lege ich übrigens großen Wert auf die Feststellung, dass wir Mitglied der FKM sind (Freiwillige Kontrolle von Messe- und Ausstellungszahlen) und all unsere Angaben peinlich genau auf Systematik und Genauigkeit hin überprüft- und zertifiziert werden. Es werden also weder grobe Schätzungen gemacht, noch werden Beine der Besucher doppelt gezählt. Unsere Angaben sind echt und verlässlich!
av-magazin.de: Wie sehen Sie die Relation zwischen Quantität und Qualität der HIGH END-Besucher?
Das genau ist die Gretchenfrage, die sich ein Aussteller; die Special Interest-Presse und wir als Veranstalter uns immer wieder stellen müssen. Für mich gilt die Devise: „Wer alle erreichen will, muss auf den Sinn verzichten“. Als Veranstalter einer Messe sind wir natürlich daran interessiert, möglichst viele Besucher begrüßen zu dürfen. Schließlich wollen unsere Aussteller ja auch das Gefühl haben, dass „viel los ist“. Gleichzeitig kann dann aber nicht erwartet werden, dass alle Besucher auch wirklich „am Thema hoch Interessierte“ sind. Es gibt ja große Messen mit 200.000 Besuchern oder mehr, dort aber vermissen die Aussteller unserer Branche dann eben das erhoffte Interesse. Das bedeutet, dass wir sicherlich mehr Besucher generieren können, wenn das Produktportfolio einer Messe sich ändert. Ob das dann aber den klassischen Aussteller zufrieden stellen würde, stelle ich in Frage.
av-magazin.de: Ein Aussteller sagte uns, dass er am Vatertag - dem Starttag der HIGH END - gerne mal frei machen würde. Sind Sie mit dem Termin der Messe zufrieden, oder denken auch Sie ab und zu über Alternativen nach?
Den Beginn der Messe auf einen Feiertag zu legen hatte ursprünglich einen einzigen Grund: Wir wollten es dem deutschen Fachhandel erleichtern, die Messe zu besuchen, ohne in Gewissenskonflikte zu kommen, das Ladenlokal abschließen zu müssen. Die Zeiten haben sich geändert und der zunehmend internationale Charakter der Messe würde diesen Aspekt heutzutage auch nicht mehr erfordern. Wir denken darüber nach, denn Stillstand ist Rückschritt.
av-magazin.de: Kein Gerät hat die Musikindustrie so verändert wie der iPod. Manche sprechen bereits davon, dass Musik als physischer Tonträger verschwinden wird. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
MP3 und andere komprimierte Formate sind Technologien, die wir begrüßen, weil sie vor allem jungen Menschen Zugang zur Musik gewähren. Dank dieser Entwicklungen kann Musik auch bei Freizeitaktivitäten und anderen Lebenssituationen gehört werden. Die bequeme und schnelle Handhabung hat folgerichtig im täglichen Leben dem Musikhören eine neue Chance eröffnet. Aber was dabei aber oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass ein solches MP3-Format datenkomprimiert ist und längst nicht alle Informationen bereithält, die auf der ursprünglichen Aufnahme vorhanden waren. Es ist eben nicht ein Abbild dessen, was Komponisten, Musiker und Tonmeister erdacht haben. Der Nutzer hört also immer nur Fragmente des Originals und es steht zu befürchten, dass eine ganze Generation junger Menschen heranwächst, die ein solch reduziertes Format als Basis ihres Wissens abspeichern. In der Foto-Branche wäre es heutzutage unmöglich eine Drei-Mega-Pixel-Kamera zu verkaufen, denn von Woche zu Woche überbieten sich die Hersteller mit immer neuen Rekorden. über zunächst entwickelte drei, dann sechs, acht und zehn Mega Pixel stehen jetzt schon die nächsten Schritte ins Haus. Dass ein so gemachtes Bild auch immer größere Speicher-Ressourcen benötigt, stört in der Fotobranche niemanden, denn zu Recht wird attestiert, dass die Speicher immer größer- und preiswerter werden. Nur in unserer Branche verhält es sich umgekehrt. Nicht die Qualität mit höherer Abtastrate wird eingefordert und verlangt, sondern es wird stolz darauf verwiesen, dass jetzt eben 1.000 Titel auf einen USB-Stick oder einem MP3-Player Platz finden. Der Sinn einer solchen Haltung ist mir nicht einsichtig und sollte auch von den Medien aufgegriffen und in Frage gestellt werden. Sowohl die Speichergrößen sind heutzutage ausreichend groß, wie auch die Internet-Verbindungen im DSL-Zeitalter keine Hürde mehr darstellen.
av-magazin.de: Psychologen beschreiben das Zeitalter in dem wir leben, als eines, in dem Unterbrechungen und Überforderungen unser Leben bestimmen. Wer kann sich da noch auf hochwertige Musikwiedergabe konzentrieren?
Jemand, der die Chance erhalten hat, Musik als Kulturgut und „Lebensmittel“ im wahrsten Sinne des Wortes kennen gelernt zu haben. Das kann im Elterhaus oder in der Schule gewesen sein, oder aber zu einem späteren Zeitpunkt beim Besuch eines guten Hi-Fi Studios oder einer Messe, wo Enthusiasten, Zuhörern einen unvergessenen Moment der Emotion geschenkt haben. Da genau sehe ich ein großes Aufgabengebiet unserer Branche.
av-magazin.de: Welchen Tipp haben Sie, um die Faszination hochwertiger Musikwiedergabe weiter zu geben?
Nicht missionarisch und besserwisserisch anderen Menschen den eigenen Enthusiasmus „über zu stülpen“, wohl aber andere teilhaben zu lassen, an der Faszination, die von einer schönen Melodie oder einer schönen Stimme ausgeht, sofern dies über eine ordentliche Anlage zu hören ist.