Akkuratesse und Finesse
Auch für Käufer des Komplettpakets steht vor dem Schallplattengenuss die Sorgfalt der richtigen Aufstellung, eine absolut waagerechte Ausrichtung der Stellfläche in beiden Achsen ist für Plattenspieler jedweder Art natürlich Pflicht. Im Rahmen unseres Hörtests haben wir diversen Basen im Rack und auf einer Wandhalterung experimentiert, hierbei zeigt sich deutlich, dass der G 1260 R besonders soliden, gleichzeitig stark Energie-ableitenden Stand bevorzugt. Eine mittelschwere, über Spikes vom Rack beziehungsweise der Wandhalterung entkoppelte Plattenspielerbasis eignet sich bestens, einen Versuch wert sind auch schwere, mit Spikes versehene Holzmöbel.
Adäquat positioniert zeigt der G 1260 R dann auch sofort, wo es lang geht: Mit dem Kraftwerk-Livemitschnitt „Minimum - Maximum“ - der für mich bei keinem Plattenspielertest fehlen darf - unter der Nadel wird nicht lang gefackelt, wenn es gilt, vor Energie strotzende Bassläufe locker herauszuschleudern. Dabei reproduziert der T+A sehr tiefreichende, knorrige, kurze Impulse in bester Manier eines Masselaufwerks: Selbstverständlich, druckvoll und mit akkuratem Timing. Auch die für Kraftwerk charakteristische Palette pumpender und blubbernder Tieftonsequenzen entfaltet sich in allen Nuancen und ist hervorragend durchhörbar, dem unnachahmlich organisch wirkenden Nachfedern mancher Rhythmuslines wird großzügig Raum gegeben - auch im wahrsten Sinne des Wortes. Bei den nahtlos ineinander übergehenden Tracks „Trans Europa Express“, „Abzug“ und „Metall auf Metall“ verlässt Kraftwerk mit nachgerade verspielt zu nennenden Arrangements den üblichen nüchtern-minimalistischen Pfad, erweitert mit jedem Sound das dreidimensionale Klanggebilde. Hier vermag der G 1260 R den Zuhörer völlig mit Klang einzuhüllen, die grob- und feindynamischen Herausforderungen dieser Passage meistert er ohnehin mit links. Besonders angesichts der Tieftonkontrolle ist spätestens jetzt ein separates Kompliment für das Ortofon M2 Bronze fällig, einen MM-Tonabnehmer, dessen Preis für das Paket praktisch nicht ins Gewicht fällt und der in allen Disziplinen überzeugen kann.
Eine völlig andere, nicht minder eigenständige Klangwelt kreiert Kate Bush. Mit ihrem fünften Album „Hounds of Love“ ging sie in ihrer Eigenwilligkeit so weit wie nie zuvor: Die auf der B-Seite befindliche Suite „The Ninth Wave“ könnte kaum experimenteller sein, ihre von Visionen nach einem Schiffsunglück handelnden Texte waren weniger eingängig denn je. Dennoch bescherten ihr die A-Seite-Welthits „Running Up That Hill“ und „Hounds of Love“ riesigen kommerziellen Erfolg. Produktionstechnisch setzte Kate Bush damals erstmals eigene Vorstellungen konsequent um, indem sie das Album in ihrem eigenen Tonstudio zuhause mit 48 Spuren einspielte und für ihre Gesangsspuren die Akustik des Studios stark einband. Das kürzlich veröffentlichte Re-Issue von Audio Fidelity in marmoriertem 180g-Vinyl wurde von Steve Hoffman abgemischt. Obwohl diese Produktion zunächst keine besonderen Anforderungen an ein Wiedergabesystem zu stellen scheint, sind eine Fülle Details in ihr verborgen, die ihre eigentümliche Charakteristik ausmachen. Die für Kate Bushs Intonation typischen Sibilanten und vor allem die insgesamt hintergründige Abmischung verlieren schnell ihren Reiz und wirken eher echauffierend, wenn ein Plattenspieler hier nicht mit einem hohen Maß von Auflösung und Transparenz zu Werke geht. Demgegenüber enthüllt der G 1260 R den subtilen Glanz dieses Albums, vermittelt mühelos dessen exzentrischen Charme in all seinen Facetten. Kein Zweifel: Der G 1260 R eröffnet als Laufwerk betrachtet immenses Potenzial, das erst mit einem höherwertigen Tonabnehmer und gegebenenfalls einem höherwertigeren Phonokabel voll ausgeschöpft wird. Wer trotz der ausgezeichneten Qualität der optional integrierten Phonostufe vielleicht mit dem Gedanken an eine externe Vorverstärkung spielt, sollte allerdings zusätzlich bedenken, dass die durchgehende Verkabelung vom Tonabnehmer zum Phonomodul große Vorteile mit sich bringt - der G 1260 R ist in einer Höhe angesiedelt, in der die Luft schon recht dünn wird. Ebenso klar ist daher auch: T+A liefert mit der Vollausstattung des G 1260 R ein Ensemble, dessen Niveau für die meisten Musikfreunde allen Anlass geben dürfte, einfach entspannt zu genießen und Gedanken an Komponentenexperimente getrost zu vergessen.