Wirkliche Machbarkeit
Besondere Bedeutung misst Dali auch bei den Hochtönern einem starken magnetischen Antrieb bei, die aus beschichteter Seide geformte Hochtonkalotte wird ebenfalls von zwei Ferritmagneten bewegt. Eine akustische Kammer hinter der Kalotte senkt deren Resonanzfrequenz auf etwa 700 Hertz, in der Kammer selbst befinden sich drei Filzstücke, deren optimale Größe und Position per Gehör ermittelt worden ist. Diese Bedämpfung soll einen besseren mechanischen Anschluss an die Kalotte herstellen und den Luftfluss optimieren, summa sumarum also abermals das Resonanzverhalten perfektionieren. Doch für Dali ist diese leistungsfähige Hochtonkalotte nur die halbe Miete, das technische Highlight der Helicon 300 MkII ist ihr magnetostatisches Bändchen. Bändchen-Hochtöner gelten gemeinhin als Durchbruch in der Optimierung der Hochtonwiedergabe, ihre ultra-leichten Folien versprechen höchstes Auflösungsvermögen bei geringsten Verzerrungen. Obgleich sich diese anspruchsvolle Technologie zunehmend durchsetzt, ist sie in aller Regel immer noch relativ hochpreisigen Lautsprechern vorbehalten; der Entwicklungs- und Produktionsaufwand von Hochtonbändchen übersteigt den für konventionelle Systeme erforderlichen Mitteleinsatz deutlich.
Das eigentlich Merkwürdige besteht allerdings in der parallelen Verwendung einer Gewebekalotte und eines Bändchen in einem Kompaktlautsprecher, dient dieses Doppelpack dazu, das linear abgestrahlte Frequenzspektrum möglichst weit nach oben hin auszudehnen? Diese Frage lässt sich mit einem klaren Jein beantworten, eher zeigt sich hier ein von Dali schon immer propagierter und technisch konsequent verfolgter Ansatz: Mehr Wohlklang außerhalb der optimalen Hörposition in der Mitte einer Stereo-Dreieckbasis. Im Grunde soll jener Sweetspot zu einer breiten Zone ausgedehnt werden, Direktschall und raumreflektierter Schall sollen an mehreren Plätzen in ausgewogenem Verhältnis auf den Hörer treffen. Diese Aufgabe erfüllt hauptsächlich das Bändchen dank seiner relativ wenig gebündelten Abstrahlcharakteristik, ein vor dem Bändchen montiertes Schutzgitter zerstreut dessen Schall nochmals gezielt. Das oberste Konstruktionsprinzip von wenig Masse mit hohen Antriebskräften gepaart treibt Dali bei diesem Stück Hightech auf die Spitze: Die Folie wird von insgesamt sechs Magneten, drei davon sind legendär kräftige Neodymtypen, auf Trab gebracht.
Macht sich derartiger Aufwand wirklich bezahlt? Für die Praxis kann dies schnell eindeutig bestätigt werden: Fast parallel ausgerichtet schafft die Helicon 300 MkII tatsächlich die „billigen Hörplätze“ in einem Raum ab. Überdies spielt sie ohne nennenswerte Einwinkelung auf den klassischen Hörplatz in der Mitte der Lautsprecher tonal ausgewogener und räumlich schlüssiger - das „Vorspiel“ ist folglich fix erledigt. Katia und Marielle Labèque spielen die Suite Nummero zwei für zwei Klaviere von Sergey Rachmaninov, zu finden auf einer von Warner Classics vertriebenen Doppel-CD namens „24 Preludes, Suite No. 2“, die im famosen, kürzlich von uns getesteten Player Antila von Leema Acoustics verschwindet, die Verstärkung übernimmt der nicht minder bemerkenswete Tucana aus gleichem Stall. Mit den ersten Anschlägen der Tasten wird klar, dass die Helicon 300 MK 2 über bemerkenswertes Auflösungsvermögen verfügt, sie lässt das Ausschwingen von Tönen so zart und dennoch prägnant in den Raum schweben, so feinfühlig und selbstverständlich, als habe sie das Klavierspiel erfunden. Wer meint, ein kleiner Lautsprecher könnte keine Ahnung vom Volumen eines Pianos vermitteln, wird ein Vorurteil über die „Schuhkartons“ ablegen müssen, dem Fortschritt und einer Könner verratenden Idee von realistischer Wiedergabe sei dank. Immerhin sind auf dieser Einspielung zwei Klaviere verewigt, deren Klangkörper glaubhaft darzustellen ist keine leichte Aufgabe, die 300 MkII meistert sie jedoch mit Bravour. Das lädt zum Ausloten der Grenzbereiche ein: „Seven Days“ von der asiatischen Künstlerin Dadawa, eine CD von teils atemberaubend-mystischer Atmosphäre und voller klanglicher Urgewalt, ist nicht nur weniger jedermanns Sache, sie bringt auch manch gestandenen Schallwandler ins Wanken. Und was macht die grazile Dali? Sie zeigt beschwingt-fröhlich auf, ob nun die gewaltigen Trommeln mit dicken oder dünneren Stöcken angeschlagen werden, ob in der Mitte oder am Rand. Selbstverständlich kann solches Musikmaterial leicht die Grenzen eines solchen Lautsprecherkonzeptes tangieren, wesentlich ist allerdings vielmehr, dass die Helicon 300 MkII nicht einmal vor so einer Herausforderung kapituliert, sondern auch an ihren Limits charmant-galanten Musikgenuss anbietet.