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Anspruchsvolleren Hörern mit einer gewissen HiFi-Erfahrung stellt sich natürlich die Frage, was man von einem Paar Lautsprecher dieser Preisklasse erwarten darf; eins lässt sich diesbezüglich klar sagen: Ob die Lektor 2 klanglich befriedigt, hängt freilich vom eigenen Anspruch ab, allerdings bietet sie deutlich mehr, als man von vergleichbar positionierten Produkten gewohnt ist.
Um eine im Zusammenhang mit Kompaktlautsprechern häufiger diskutierte Angelegenheit vorab zu klären: Auch eine Dali Lektor 2 vermag natürlich nicht Tiefton, den man ruhigen Gewissens in engerem Sinne als solchen bezeichnen kann, zu reproduzieren – da überlistet kein Erfahrungsschatz und kein konstruktiver Kniff die Physik. Wenn also von Tieftonqualitäten die Rede ist, muss dies freilich relativ gesehen werden, was allerdings die Ingenieure diesbezüglich bei der Lektor 2 vollbracht haben, ist wirklich respektabel. Immerhin hat der Tiefmitteltöner kaum mehr Membranfläche als bei manch großer Standbox der Mitteltöner allein, als Arbeitsvolumen stehen ihm auch lediglich einige Liter zur Verfügung. Dennoch schafft es die Lektor 2, selbst einige fiese Tiefton-Sequenzen elektronischer Musik wie sie auch auf dem Album „Crossing The Bridge“, einer manchmal befremdlich erzwungen wirkenden, aber insgesamt sehr unterhaltsamen Ehe traditionell orientalischer Klänge und westlicher Dance-Sounds, vorkommen, nachdrücklich und einigermaßen glaubwürdig darzustellen.
Hier wirkt sich die grundehrliche Abstimmung der Lektor 2 insofern günstig aus, als sie nicht versucht, den letzten Hertz hinterher zu hecheln, sondern sauber, straff und konturiert bis knapp unterhalb von fünfzig Hertz spielt und dann aussteigt. Bis dahin stehen ihre dynamischen Fähigkeiten manch wesentlich voluminöserer Konstruktion in nichts nach, insbesondere tonal kann die Dali in tieferen Lagen voll überzeugen, differenziert klar unterschiedliche Größen und Spielweisen diverser Schlaginstrumente auf dem Album „El Tanbura“. Zwar mangelt es bei der Wiedergabe dieser hervorragend produzierten Einspielung ägyptischer Folklore-Lieder durchaus etwas an Volumen und Körper, wenn die Riq, eine mittelgroße Handtrommel, gespielt wird, die für dieses Percussiv-Instrument typische geradezu explosive Dynamik dagegen vermittelt die Lektor 2 uneingeschränkt, dem Tempo beinah hektisch über das straff gespannte Fell wirbelnder Hände bei „ I Saw The Moon“ folgt die Dali problemlos.
Auch dank ihrer Wendigkeit lässt sie die mal flirrende, mal melancholisch klagende Atmosphäre des beduinischen Liedguts im Hörraum aufleben, dafür zeichnet allerdings besonders die Arbeit des Tiefmitteltöners in mittleren Frequenzlagen verantwortlich: Mit Blick auf seine Fähigkeiten in diesem kritischen Bereich ist dieser Treiber ein echtes Sahnestückchen und Wasser auf die Mühlen der Papiermembran-Anhänger: Die Dali Lektor 2 differenziert ein herrlich breites Klangfarbenspektrum, spendet durchaus Wärme, dichtet sie jedoch keiner Aufnahme an.
Daran knüpft die Hochtonwiedergabe nahtlos an, sie gelingt geschmeidig, vollkommen frei von Rauigkeiten oder Schärfe – übrigens vom Start weg, während einer moderaten Einspielzeit gewinnt die Dali zwar noch an Ausgewogenheit, gefällt allerdings gerade mit ihrer beispielhaften Abstimmung vom Fleck weg. Und obgleich ihr die viel zitierte, zuweilen tatsächlich etwas nervenaufreibende Analytik völlig fremd ist, lässt die Lektor 2 über kein Detail im Ungewissen, löst jedes Streifen der Fingerkuppe an einer Gitarrensaite auf dem kürzlich bei Opus 3 neu aufgelegten Debutalbum von Eric Bibb, „Rainbow People“, akribisch auf und zieht den Zuhörer tief in die dichte, intime Atmosphäre dieser Songs hinein.
Was fehlt der Lektor 2 absolut betrachtet? Etwas mehr Volumen, sonst eigentlich gar nichts. Man braucht nicht wie der Autor dieser Zeilen ausgewiesener Fan guter Zweiwege-Kompaktkonstruktionen zu sein, um bei den ersten Tönen zu erkennen, das die Dali Lektor 2 ein klasse Lautsprecher ist. Dieses Angebot ist unabhängig von Zeichen der Zeit frei von fadem Beigeschmack, es duftet vielmehr nach kross gebackenem Sonntagsbrötchen.