Die Mathematik der Musik
Im Gegensatz zur analogen Tontechnik hat die digitale Aufzeichnung und Reproduktion ein systembedingtes Manko: ein Schallimpuls wird nicht als direktes Abbild verarbeitet, sondern aus Zwischenwerten rekonstruiert - das recht bekannte Beispiel der treppenförmigen Sinuskurve illustriert dies, wesentliche Fortschritte der Digitaltechnik bestanden darin, die Stufen dieser Treppe immer kleiner zu machen, so das die Impulsform der natürlichen Kurve näher kommt. Einerseits wird dieses Ergebnis durch eine erhöhte Quantisierungsrate erzielt, die praktisch eine höhere Auflösung ergibt. Doch ebenso entscheidend sind die für das Oversampling verwendeten Algorithmen - die auf Impulsgenauigkeit und damit einen besonders linearen Frequenzgang hin optimierten Finite Impulse Response, kurz FIR genannten Filtermethoden weisen allerdings Nachteile im Zeitbereich auf.
Dieser Nachteil konnte in der Audio-Wiedergabetechnik bis heute nur bedingt kompensiert werden, einige Hesteller setzen deshalb sowohl FIR- als auch zeitbereichsoptimierte Aufbereitungsverfahren ein. T+A entwickelte zur Zeitoptimierung eigens Algorithmen deren mathematische Grundlagen schon Anfang der Sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts von Renault der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, der damalige Werksingenieur Pierre Bézier gilt dank der offensiven Informationspolitik des Autobauers seither als der alleinige Erdenker der nach ihm benannten Kurvenberechnungen. In den Siebzigern ermöglichten die Bézier-Kurven einen Entwicklungssprung in vielen industriellen Design- und Produktionsanwendungen, besonders im CAD-Bereich. Für den sensiblen Zweck der bestmöglichen Datenaufbereitung vor der Digital-Analog-Wandlung verfeinerten die Ingenieure von T+A die Anwendung der Bézierschen Polynominterpolation um das Zeitverhalten im Oversampling weiter zu perfektionieren. Wen wundet es da noch, dass die Herforder für das Topmodell ihrer R-Serie hardwareseitig auch nichts von der Stange nutzen, sondern ihre rechenintensiven Algorithmen selbst in einen 56Bit-DSP programmierten...
Zahlen die Musik bedeuten
Zum unaffälligen Credo des T+A passend verbirgt sich der Zugriff auf diesen Rechenschatz hinter dem Taster mit der simplen Aufschrift "OVS", inmitten des Schalters für die Umkehr der Ausgangsphase und der Bandbreitenumschaltung, die eine Anpassung des breitbandigen analogen Ausgangsfilters an diesbezüglich limitierende Verstärker gestattet. Dank der möglichen Reduzierung seiner 'nativen' Bandbreite von 120 Kilohertz auf 60 Kilohertz kann der SACD 1250 R im Zusammenspiel mit jeder Elektronik ein optimales Verhältnis von Frequenzgang und Phasenlinearität gewährleisten und vermeidet die Überanstrengung schmalbandigerer Verstärker, somit deren auch unnötig hohe Klirrwerte unter hoher Belastung.
Insgesamt bietet der SACD 1250 R seinem stolzen Zuhörer vier unterschiedliche Filteralgorithmen, die oberhalb des zugehörigen Schalters im Display mit Ziffern von eins bis drei gekenneichnet sind. Das vierte Filter findet dort keine Erwähnung, seinen Betrieb erkennt man nur durch das Fehlen einer Ziffer für das Oversampling in der Anzeige, vielleicht ist dieses verschämte Vorgehen ein Zeichen für die Alibifunktion dieses Algorithmus, der "eigentlich nur etwas für Techniker ist", so Chefentwickler Lothar Wiemann. Dieses Standardfilter liefert in der Tat vorbildlich lineare Frequenzgänge, fällt klanglich allerdings weit hinter den anderen Optionen zurück. Vergibt man die Plätze in der Klangausscheidung weiterhin aufsteigend, belegt die Wahlposition 1 den dritten Rang, sie offeriert ein puristisches FIR-Filter mit Schwerpunkt auf Frequenzganglinearität bei relativ kurzen Impulsen - recht dynamisch, geschliffen aber auch vergleichsweise spröde und saftlos klingt dieser Algorithmus. Damit wären wir bei den klaren Favoriten angelangt, den Filtern 2 und 3. Nummer 2 kombiniert das so genannte kurze FIR mit einem Bézier-IIR: einem Filter das bei länger ausschwingenden Impulsen frequenzganglinear bleibt, in der Summe erreicht diese Option praktisch genauso wie mit dem Lineal gezogene Frequenzverläufe über das gesamte Spektrum, zeigt sich allerdings auf der Zeitachse spürbar flinker.
Last not least stellt Filter 3 ein reines Bézier dar, kompromisslos zeitbezogen auf Impulstreue getrimmt. Dieses häufig klanglich eindeutig bevorzugte Filter leistet sich einen Frequenzgangabfall von 1,5 bis 2 Dezibel bei 20 Kilohertz, der jedoch beim Musikhören als solcher kaum auffällt. Unüberhörbar ist hier allerdings die nochmalige Steigerung der zeitoptimierten Wiedergabe, rhythmische Nuancen und knackige Percussivimpulse werden zum Leben erweckt, der SACD 1250 R bringt manche Scheibe auf Trab, die die meisten Konkurrenten im Direktvergleich zum T+A ziemlich müde vortragen.