Musikalisches Talent
Denn gewissermaßen könnte man das ABS-Gehäuse zu den inneren Werten zählen: Einerseits macht Micromega keinen Hehl daraus, diesen leicht zu verarbeitenden Kunststoff aus kalkulatorischen Gründen zu verwenden, andererseits setzen die Ingenieure ihn ein, weil er nicht magnetisch ist und hervorragend abschirmt. Deshalb werden Kunststoffe immer wieder für HiFi- und High-End-Komponenten verwendet - eine einfache technische Lösung für eine klanglich essentielle Angelegenheit. Eine Besonderheit findet sich bei den drei analogen Eingängen: Sie weisen eine extrem hohe Eingangsimpedanz von einem Mega-Ohm auf, um die Last für die Ausgangsstufen angeschlossener Tonquellen zu minimieren. Die analogen Signale werden vom MyAmp direkt ausgegeben, ohne vorher den Wandlertrakt zu durchlaufen und rückgewandelt zu werden.
Das bedeutet nicht etwa, Micromega hätte irgendwie einen zusätzlichen analogen Verstärkungszweig in dieses kleine Gehäuse gepfercht bekommen: Der MyAmp ist kein Digital-Verstärker! Das erklärt dann auch die links und rechts durch eine Öffnung in den Seitenteilen sichtbaren kleinen Kühlkörper… Angesichts eines so kleinen Verstärkers geht man sofort davon aus, dass es sich um ein Class-D-Konzept handelt, doch Micromega geht bewusst den anderen Weg. Statt ein preisgünstiges Schaltverstärker-Modul einzusetzen spendierte die Manufaktur dem MyAmp eine innovative, ganz auf Schnelligkeit und Transparenz ausgelegte Class-AB-Endverstärkung. Der Clou an der Sache ist die Kombination mit einem sehr leistungsstarken Schalt-Netzteil, auf diese Weise verfügt der MyAmp über beachtliche Reserven und kann auf große Kondensatoren verzichten. Die dennoch entstehende Wärme wird durch Konvektion zu den Kühlkörpern geleitet und so abgeführt, für alle Fälle hat der Winzling zusätzlich einen kleinen Lüfter.
Für Fälle wie die letzten Stunden des Hörtests, in denen der MyAmp ultimativ sein Können zeigen und sein Stehvermögen an großen Lautsprechern beweisen durfte: Angeschlossen waren die Elac FS 507 VX-JET, die zu unseren Referenz-Komponenten zählen. Natürlich hatte ich klein angefangen, mit den Polk RTi A1, und später mit den Heco Celan GT 602 ausgewachsene, aber weder konzeptionell noch preislich über das Ziel hinaus schießende Lautsprecher verwendet. Von der Vorstellung im Zusammenspiel mit den beiden genannten Lautsprechern schwer beeindruckt, war ich einfach neugierig… Das Faszinierende an der ungleichen Paarung mit dem FS 507 VX-JET ist, dass der MyAmp genug audiophiles Potenzial hat, um auch bei gehobener Lautstärke an so einem Lautsprecher noch etwas mehr Auflösung und Raffinesse zu offenbaren.
Und genau damit geizt der kleine Micromega wahrlich nicht, wenn ihm für seine Klasse übliche - und letztlich besser passende - Lautsprecher zur Seite gestellt werden. Der MyAmp zeichnet eine weitläufige Bühne, geht sehr agil ans Werk und dynamisch ordentlich zur Sache - er zeigt pure Spielfreude ohne je nervös zu wirken. Dazu fächert er ein reiches Spektrum an Klangfarben auf und präsentiert selbst feine Nuancen, überdies fällt neben seiner phänomenalen Durchsetzungsfähigkeit vor allem eins auf: Der MyAmp klingt sehr transparent und „schnell“, vermittelt auf diese Weise auch subtile Spannungen in der Musik und lässt immer den Funken überspringen - wirklich große Klasse!