Zu Besuch bei WBT:Raketenwissenschaft
Die Steckverbinder von WBT dürften jedem HiFi-Fan wohlbekannt sein. Wie viel Know-how und Fertigungsaufwand hinter den spezialisierten Erzeugnissen aus Essen steckt, lässt sich dagegen kaum erahnen. AV-Magazin bekam einen Einblick hinter die Kulissen.
Reportage von Marius Donadello20. Juni 2023, Fotos: AV-Magazin
Steckverbinder sind keine besonders komplexe Angelegenheit, könnte man meinen. Mit der Akzeptanz hochwertiger Kabel ist zwar ihre Bedeutung für das klangliche Endergebnis mehr in den Blick gerückt, aber viele Klangenthusiasten unterschätzen, wie sehr es dabei auf Details ankommt. Schließlich müssen Stecker doch bloß einen verlustarmen Kontakt herstellen, und um das zu gewährleisten, braucht es doch keine »Raketenwissenschaft« - so die noch immer verbreitete Annahme. Tatsächlich ist sie insofern nicht ganz verkehrt, als letztlich der Qualitätsanspruch entscheidet, und wie immer ist auch hier das Bessere des Guten Feind. Klar ist jedoch: Mit hochwertigen Materialien und dem Wissen um ein paar Grundregeln allein lässt sich kein optimaler Verbinder bauen, zudem ist die präzise Fertigung kleiner Teile mit hohem maschinellem Aufwand verbunden. Was das im Einzelnen bedeutet und wie weit das gehen kann, durften wir uns bei WBT anschauen. So viel sei vorweggenommen: Was wir hinter den Türen des führenden Steckverbinder-Spezialisten gesehen haben, hat uns trotz einigen Vorwissens mehr als beeindruckt.
Die Fahrt führt vorbei an Feldern und ein paar Wohnhäusern, dann ein kurzes Stück am Rande eines kleinen Industriegebiets entlang liegt unser Ziel in Essen-Kettwig. Ein typisches Bürogebäude, recht groß, mit eher funktionalem Charme und einer Ladestation auf dem Parkplatz. »Das ist also WBT«. Nach dem Eingangsbereich ein großzügiges, modernes Foyer, eine wohnlich gestaltete Küche, dann Flure und Büros soweit das Auge reicht. Gepflegtes Understatement, pieksauber und ordentlich. Im Meeting-Raum sieht es dann wenigstens ein bisschen wie in einem Fertigungsbetrieb aus, mit Einzelteilen und fertigen Steckern auf dem Konferenztisch.
Physik ist der Maßstab
Wolfgang Thörner erzählt uns von den Anfängen, wie ihn die abweichenden Maße von Buchsen und Steckern dazu brachten, sich eingehend mit Cinchverbindungen zu befassen und schließlich WBT zu gründen. 1985 war das, als hierzulande die Blütezeit der High Fidelity begann und das wachsende Geschäft nicht zuletzt deshalb binnen recht kurzer Zeit weiter ausgebaut werden konnte. Heute fertigt WBT als kleiner mittelständischer Betrieb mit siebzehn Mitarbeitern sechs Modelle von Cinchsteckern, die jeweils mit vergoldeten Kupfer- oder Feinsilber-Kontakten erhältlich sind, und sieben Cinchbuchsen. Außerdem gehören Lautsprecherverbinder zum Programm: Zwei Kabelschuhe, zwei Bananenstecker und achtzehn Polklemmen.
Die vor uns liegenden Stecker und Teile nimmt Wolfgang Thörner schnell zum Anlass, sich ganz in sein Metier zu stürzen, er spricht nach wie vor am liebsten über Details seiner Produkte, die Anforderungen bei deren Herstellung und Nachhaltigkeit. Und über Physik. Bevor wir mehr über die Umweltaspekte erfahren, erläutert uns Wolfgang Thörner ausführlich physikalische Prinzipien und die wichtigsten Entwicklungsziele für einen bestmöglichen elektrischen Kontakt. Die nach Heinrich Hertz benannte »Hertzsche Pressung« spielt hierbei eine besondere Rolle, denn sie erlaubt Rückschlüsse über die optimale Oberflächenbeschaffenheit zweier Leiterkontakte.
Neu im Programm:Der Nextgen-Cinchstecker »WBT-0120«
Anschließend dürfen wir ein brandneues Produkt in Händen halten, den Winkel-Cinchstecker 0120, der die »Nextgen«-Serie ergänzt. Er wurde als Prototyp bereits im vergangenen Jahr auf der HIGH END vorgestellt, danach jedoch nochmals im Detail modifiziert. Dieser nun auf dem Markt eingeführte Cinchverbinder bringt gleich drei Neuerungen mit sich. Sie sorgen für besonders einfaches Handling: Der 0120 lässt sich ganz einfach kabelseitig vercrimpen - Löten ist also nicht erforderlich. Die mitgelieferten Anpasstüllen mit vier verschiedenen Innendurchmessern ermöglichen dabei, unterschiedliche Kabelquerschnitte aufzunehmen. Buchsenseitig stellt statt einer Klemmhülse ein patentierter Spannzangenmechanismus, der mithilfe eines Exzenterhebels bedient wird, den optimalen, elastischen Anpressdruck zwischen dem zentralen Signalleiter und der Buchse her. Obendrein gewährleistet dieser Klemm-Feder-Mechanismus eine sichere Zugentlastung. Zwischen den Anschlussbuchsen von Geräten ist dagegen etwas anderes wichtig, nämlich Platz für die Finger. Besonders bei Verstärkern und Receivern ist genügend Freiraum, um Kabel bequem anzuschließen oder abzuziehen, häufig Mangelware. Das neue Schrägwinkeldesign des 0120 ermöglicht in solchen Fällen eine wesentlich leichtere Zuführung des Cinchsteckers und eine schräge, aufgeräumte Kabelführung.
Hochtechnologie
Dann endlich machen wir uns auf den Weg in die Fertigung; vor der Treppe, die ins Erdgeschoss führt, hängt ein Schild mit der Aufschrift »Bitte Handlauf benutzen« - typisch WBT. Immerhin sind wir bei dem Hersteller zu Gast, der seine Bananenstecker mit einem Abstandsstift versieht, um sicherzustellen, das spielende Kinderhände sie nicht in eine Steckdose bugsieren können. In den Räumlichkeiten der großen Produktionsstätte angekommen, wird uns sofort vor allem eines anschaulich vor Augen geführt: Fertigungsaufwand und Qualitätssicherung auf die Spitze zu treiben, das gehört zur DNA von WBT. Vorab sollte man wissen, dass für die meisten WBT-Stecker sieben Einzelteile, die aus vier unterschiedliche Materialien bestehen, zusammengefügt werden. Diese Komponenten werden fast ausnahmslos in Eigenregie gefertigt, wobei die Spritzung und Beschichtung sämtlicher Gehäuseteile im Hause stattfindet.
Wir verfolgen bei unserer Werkstour den Werdegang eines Nextgen-Cinchsteckers mit Signalleitern aus Kupfer, von der ersten Station, an der die Kupferleiter vorgereinigt werden, bis ins große Lager. Zuerst werden mehrere Dutzend Signalleiter in Reih und Glied auf einen Bauteileträger gesteckt, der anschließend für einige Minuten in das Tauchbad einer Hochstrom-Polieranlage gehängt wird. Die dort stattfindende Politur glättet die Oberfläche der Signalleiter und entfernt selbst kleinste Unreinheiten, absolute Sauberkeit des Materials ist eine essenzielle Voraussetzung für den weiteren Fertigungsprozess. Deshalb werden die Leiter, nachdem sie mit Isopropanol von Flüssigkeitsresten aus dem Tauchbad befreit wurden, in sogenannte Reinraum-Container verbracht. Im Inneren dieser selbst entwickelten Plexiglas-Zylinder wird ein Vakuum erzeugt, das die blitzsauberen Leiter vor Verunreinigungen schützt. Dort verbleiben sie, bis weitere Leiter den Reinigungsprozess absolviert haben.
Ein einzigartiges Produktionsverfahren
Dann werden sie in Gruppen von jeweils sechs Bauteileträgern zu Signalleitern für Nextgen-Cinchstecker veredelt: Die Modelle in der Ausführung mit Kupferleitern werden vergoldet - ein an sich üblicher Vorgang. Nicht jedoch in diesem Fall, denn dabei kommt ein vor drei Jahren eingeführtes, hoch spezialisiertes Beschichtungsverfahren namens »Physical Vapour Deposition«, kurz »PVD«, zum Einsatz. Dieses vergleichsweise neue Verfahren der »Physikalischen Gasphasenabscheidung« wird in unterschiedlichen industriellen Bereichen für die Beschichtung von Oberflächen mit verschiedenen Materialien verwendet, dort, wo es auf höchste Präzision und Langlebigkeit ankommt. Die Anwendung für Audio-Steckverbinder wurde allerdings nie zuvor realisiert, folglich musste WBT den Prozess exakt auf die eigenen Zwecke zuschneiden und optimieren. Dabei war besonders der dreidimensionale, vollkommen gleichmäßige Auftrag des Goldes schwer zu gewährleisten. Für das Meistern dieser Herausforderung bekam WBT 2021 den Deutschen Innovationspreis verliehen. Im Vorfeld brachte das Projekt etliche im Detail verborgene Hürden mit sich, für die hausintern Schritt für Schritt Lösungen entwickelt wurden. Zudem war die Umstellung der Produktion mit erheblichen Investitionen für neue Anlagen und Maschinenteile verbunden, und auch das Fertigungsgebäude muss erst einmal bestimmte baulichen Voraussetzungen erfüllen - hier war WBT jedoch in einer glücklichen Ausgangslage.
Jetzt stehen wir vor der sogenannten PVD-Kammer, dem Herzstück der Produktionsstrecke, in der die unter dem Markennamen »PlasmaProtect« bekannten, patentierten Leiter für die Kupfer-Nextgen-Stecker entstehen: Ein Koloss aus dickwandigem Stahl, an dessen Rückseite unzählige Schläuche, Leitungen, Ventile und Apparaturen zu sehen sind. Die Vorgänge im Inneren dieser Kammer sind computergesteuert, »Präzision« ist hier einmal mehr das Stichwort. Aber was genau passiert in der PVD-Kammer? Vereinfacht gesagt wird in einem Hochvakuum eine Plasmaentladung erzeugt, die das Gold »verdampft«: Allerfeinste Goldpartikel kondensieren auf den Signalleitern und gehen eine atomare, langzeitstabile Verbindung mit ihren Kupferoberflächen ein. Obwohl der Prozess der Physikalischen Gasphasenabscheidung energieintensiv ist, lässt sich damit eine Energieeinsparung von etwa 25% im Vergleich zur herkömmlichen Galvanik erzielen. Zudem bringt das PVD-Verfahren weitere handfeste Vorteile für Nachhaltigkeit und Umweltschutz mit sich, denn dabei wird 35% weniger Gold verbraucht und die bei der althergebrachten nasschemischen Galvanik benötigten Säurebäder erübrigen sich.
Qualitätssicherung auf höchstem Niveau
Die Einführung dieser aufwendigen Fertigungstechnologie ermöglichte WBT überdies, mit seinen Nextgen-Verbindern nochmals einen deutlichen Qualitätssprung zu machen, der hörbar und messtechnisch nachvollziehbar ist. Der Grund dafür liegt in der exemplarischen Ebenmäßigkeit der beschichteten Leiteroberflächen, wir erinnern uns an die Ausführungen zur Hertzschen Pressung. In der Qualitätssicherung können wir uns anschließend selbst davon überzeugen, dort befindet sich eine selbst entwickelte Messapparatur, mit der die Leitfähigkeit der Kontakte genau gemessen werden kann. Zuvor jedoch durchlaufen in der QS-Abteilung alle goldbeschichteten Kupferleiter ein Prüfverfahren, das strenger nicht sein könnte: Ihre Oberflächenstruktur wird unter einem Rasterelektronen-Mikroskop genauestens untersucht; computergestützt, versteht sich. Dieses Instrument allein schlägt mit einem sechsstelligen Betrag zu Buche, es kann im Nanometerbereich auflösen, wie uns David Malek erklärt. Während herkömmlich beschichtete Oberflächen hier wie eine Gebirgslandschaft aussehen würden, sind auf dem Bildschirm lediglich ein paar körnchengroße Unebenheiten auszumachen. Wenn die Kontaktstifte diese Inspektion bestanden haben, überprüft sie David Malek mithilfe eines optischen Mikroskops im Ganzen auf ihre einwandfreie Beschaffenheit hin.
Einmal aus der QS entlassen, werden die Leiter der Endmontage zugeführt, wo sie mit den Gehäusen verbunden werden. Auch dafür wird, ebenso wie bei der Gehäuseherstellung, speziell angefertigtes Werkzeug benötigt. Zum Schluss unserer Tour werden wir ins Lager geführt, wo »zum Glück« kein weiterer Höhepunkt auf uns wartet, denn uns schwirrt inzwischen der Kopf. Groß ist es hier, sehr groß; ein mehrere Meter breites und hohes Regal reicht sich an das nächste, allesamt voll mit Material und Kartons fertiger Stecker, die auf ihren Versand warten. Immerhin kommen die Mitarbeitenden hier (noch) ohne logistische Automatisierung zurecht. Uns bleibt nun an dieser Stelle nur noch eines zu sagen: Nochmals ein herzliches »Dankeschön« an das gesamte WBT-Team für einen eindrucksvollen Tag!
Kontaktdaten:
WBT-Industrie GmbH, Essen
Telefon: 02054 875520
Internet: www.wbt.de
Technische Daten (Herstellerangaben) | |
Vertrieb | WBT, Essen |
Hersteller | WBT-Industrie, Essen |
Modell | 0120 |
Preis | 53 Euro (Cu), 73 Euro (Ag) |
Typ | Cinchstecker |
Garantie | 5 Jahre |
Ausführungen | Gehäuse Hochglanz Schwarz, Signalleiter Kupfer vergoldet oder Feinsilber |
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