Interview zum Test der Audiodata Jolie
AV-Magazin: Herr Schippers, Sie haben in der Jolie ein Breitbandchassis verwendet. Wie kam es dazu?
Peter Schippers: Nun, wer unseren Werdegang in den letzten 20 Jahren etwas verfolgt hat, den wirds eigentlich nicht allzusehr verwundern. Vom ersten überregional bekannt gewordenen Audiodata-Lautsprecher, der Bijou, an, war es uns ein Anliegen, natürlich klingende Lautsprecher zu bauen, welche Instrumente und Stimmen in den Raum stellen können und MIT-einander musizieren lassen. Mit verbesserten Messmöglichkeiten haben wir uns Anfang der 90iger Jahre dabei verstärkt dem Thema Zeitrichtigkeit gewidmet. Lautsprecher wie die Elance mit ihrem charakteristischen, schrägen Gehäuse zeigten den Weg auf. Zumindest für den am vorgesehenen Platz (lacht) sitzenden Zuhörer waren die Ergebnisse schon sehr gut. Die Fehler konventioneller Mehrwegelautsprecher außerhalb dieses Ortes sind aber erheblich. Kleine, leistungsfähige Magnetmaterialien und ein wirklich sehr, sehr konstruktiv zuarbeitender Partner wie SEAS haben dann Anfang des neuen Jahrtausends unseren Weg zu Dual-Coaxial-Chassis möglich gemacht. Was anfänglich nur ein wirklich guter Centerlautsprecher werden sollte, ist heute Programm und Alleinstellungsmerkmal für Audiodata. Und die Ergebnisse sprechen ja für sich.
Mit dem Breitbänder der Jolie haben wir wie beim Koax der größeren Modelle eine echte Punktschallquelle mit allen ihren Vorteilen. Und die wenigen, kleinen Schwächen eines Breitbänders haben wir – glaube ich – wirklich überzeugend im Griff.
AV-Magazin: Sind bei der Aufstellung besondere Voraussetzungen notwendig?
Peter Schippers: Die Jolie interagiert grundsätzlich nicht mehr und nicht weniger als jeder andere Lautsprecher mit dem Raum. Insofern gelten hier auch erst einmal die gleichen Regeln für die Aufstellung. Das Breitbandchassis der Jolie bündelt bei aller technischer Raffinesse, wie zunehmende Abkoppelung der Membran zu hohen Frequenzen hin, natürlich stärker als ein typischer Kalottenhochtöner. Was zunächst wie eine Einschränkung klingt, ist in der Praxis aber eine hervorragende Feintuningmöglichkeit. Wenn der obere Hochtonbereich am Hörplatz etwas zu schwach ausgeprägt ist, winkelt man Jolie einfach etwas stärker auf den Hörplatz hin, wenn es wegen spärlicher Einrichtung etwas zu silbrig oben rum klingt, stellt man den Lautsprecher etwas paralleler auf – fertig! Wir empfehlen grundsätzlich eine schwache Anwinkelung zum Hörplatz. Von dieser Position aus hat man dann in beide Richtungen Spielräume, welche man bei „normalen“ Hochtönern nicht hat.
AV-Magazin: Wie wichtig ist das Gehäuse der Jolie für das klangliche Ergebnis?
Peter Schippers: Sehr, sehr wichtig! Das Gehäuse ist auf den ersten Blick nur das Arbeitsvolumen für den oder die Tieftöner, hat soundsoviele Liter Volumen und bestimmt dann mittels passend berechneter Bassreflexabstimmung den Tieftonfrequenzgang des Lautsprechers. Die Wirklichkeit sieht ungleich komplexer aus. Was auf der einen Seite der Tieftonmembran für – sagen wir mal – 50.000 Liter Wohnzimmer reicht, wird auf der anderen Seite der Membran, also innen, in 50 Liter Gehäuse abgestrahlt. Hier entstehen - auf engstem Raume – die gleichen Herausforderungen wie bei der Raumakustik. Mit Moden, stehenden Wellen, Resonanzen, das ganze Programm, das will alles ganz genau bedacht sein... Darüber hinaus gibt's erhebliche mechanisch-akustische Aspekte. Schalldruck, also die Töne, welche wir letztendlich hören, ist proportional zu Frequenz, abstrahlende Fläche und Hub. Die Membrane eines Hochtöners hat vielleicht 10 cm², das Gehäuse eines Standlautsprecher vom Format einer Jolie hat jedoch über 1qm², also über 10.000 cm² Oberfläche, ist also 1.000 mal so groß wie die Hochtonmembran. Würde dieses Gehäuse auch nur mit einem Hunderstel der Amplitude der Hochtonmembran mitschwingen, dann würde es immer noch 10 mal so viel Schalldruck produzieren wie der Hochtöner! Vom eigentlichen Chassis würde man dann fast nicht mehr hören! Im Gegensatz zum Musikinstrument, z.B. eine Geige, wo das Mitschwingen des Holzkorpuses nach der Anregung der Saiten mittels Bogen erst den Instrumentenklang ausmacht, sind mitschwingende Gehäuse beim Lautsprecher tödlich. Gerade hier unterscheidet sich Massenware eklatant von durchkonstruierten, wertigen Gehäusen. Mit unseren stahlkugelgefüllten Innenkammer haben wir schon seit Jahren ein Instrument an der Hand, was zwar sehr aufwendig in der Herstellung und Verarbeitung ist, aber auch ganz entscheidend zur Performance eines Audiodata-Lautsprechers beiträgt.
AV-Magazin: Im Sockel der Jolie befinden sich Aussparungen für Spikes. Was bewirken die Spikes genau?
Peter Schippers: Tja, dazu möchte ich zunächst etwas ausholen: Jeder HiFi-Fan ist sich der Bedeutung einer stabilen, resonanzarmen Aufstellung beim klassischen Schallplattenspieler bewusst. Klar, der Tonabnehmer darf beim Abtasten der winzigen, nur wenige ?m großen Modulation in den Rillen einer Schallplatte möglichst wenig bei seiner Arbeit gestört werden. Legen Sie nun einmal bei Zimmerlautstärke behutsam (!) einen Finger auf die Membranen von Tief- und Hochtöner. Während Sie beim Bass ein deutliches Vibrieren spüren, merken Sie beim Hochtöner praktisch nichts. Die Membranbewegung, die letztendlich für die Musik in Ihrem Wohnzimmer verantwortlich zeichnet, liegt beim Hochtöner ebenfalls in der Größenordnung von ?m! Gleichzeitig leitet die mit mehreren Dutzend g (!) beim Hin- und Herschwingen beschleunigte Tieftonmembran erhebliche Rückstoßkräfte in das Gehäuse ein, ganz ähnlich wie eine Gewehrkugel, welche ja auch recht leicht im Verhältnis zum Gewehr ist, aber aufgrund ihrer enormen Beschleunigung beim Schuss ganz merkliche Rückstoßkräfte verursacht. Diese Kräfte müssen irgendwo hin... Beim Einsatz von Spikes unter Lautsprechern geht es daher um eine stabile, rückstoßfreie Aufstellung. Im Gegensatz zur häufig gehörten Meinung sorgen Spikes nicht für eine Entkoppelung, sondern für eine punktförmige Ankoppelung an den Boden (technisch gesehen ist eine Spike eine mechanische Diode!). Gleichzeitig wird durch die winzige Auflagefläche der Spikespitze und den dabei entstehenden, sehr hohen Druck eine „felsenfeste“ Position des Lautsprechers an seinem Aufstellungsort erreicht. Damit können die Rückstoßkräfte der Tieftonmembranen abgefangen und abgeleitet werden, der Hochtöner kann „ungestört“ seiner Aufgabe nachgehen und Räumlichkeit, Ortung, Tiefenstaffelung, etc. werden hörbar verbessert. Die ausgeklügelte Audiodata-Spike-Konstruktion mit hochwertigen Einlegespikes muss nicht eingeschraubt werden, birgt also keinerlei Verletzungsrisiken und kann nachträglich, also nachdem man den Lautsprecher in Ruhe in Bezug auf den Hörplatz ausgerichtet hat, blitzschnell ergänzt werden.
AV-Magazin: Entstehen Lautsprecher vom Kaliber einer Jolie ausschließlich am Computer?
Peter Schippers: Mitnichten! Natürlich können wir heute Basics, wie eine Bassreflexabstimmung perfekt am Computer simulieren, da müssen keine Protoypengehäuse mehr erprobt, vermessen und weggeschmissen werden. Auch Frequenzweichenschaltungen und deren komplexes Interagieren mit Chassis und Gehäusen können wir auch sehr gut am Rechner modellieren. Audiodata ist da ja für seinen Perfektionismus bekannt. Wir haben schon Anfang der 80iger Jahre mit selbstgeschriebenen Messtechnik- und Simulationsprogrammen für den Commodore C64 gearbeitet, als nicht wenige in der High End-Branche noch mit „try&error“-Methoden gearbeitet haben. Aber über diese Basics hinaus bleibt es immer noch viel, viel Handarbeit, besser wohl „Ohrarbeit“, bis ein Lautsprecher so ist, das wir nicht ohne Stolz ein Audiodata-Schild draufkleben. Die eben bereits angesprochene Problematik des Gehäuses zum Beispiel. Klar, da gabs mal eine Diplomarbeit mit Laserinterferrometrie und vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen, aber es hat auch heute noch was von der Kunst eines Intrumentenbauers. Wir vermessen Gehäuse mit Schwingungsaufnehmern und „verhören“ sie mit einem Stethoskop. Darüber hinaus werden ganze Hörmarathons damit verbracht, vom Wert her gleiche Frequenzweichenbauteile gegeneinander zu hören und zu bewerten. Innenverkabelung hier, ein Stück Filz dort, es gibt
haufenweise „Baustellen“, wo Erfahrung, Intuition und ein geschultes Gehör von Nöten ist.
AV-Magazin: Was empfehlen Sie ungeübten Hörern, um die Klangqualität Ihrer Lautsprecher zu erfassen?
Peter Schippers: Das ist wirklich keine ganz einfach zu beantwortende Frage: Ein viertel Jahrhundert Leidenschaft für das Thema Musik und deren Wiedergabe prägen mich da natürlich. Eine solche Entwicklung findet ja auch nicht linear statt. Mein Musikgeschmack - und die favorisierten technischen Lösungen zur Reproduktion - haben sich in dieser Zeit sicher auch gewandelt. Es ist vielleicht ein bisschen wie mit dem Weintrinken. Man fängt an und probiert hier mal was und da mal was, ein Edelzwicker hier eine Trockenbeerenauslese dort. Und am Ende der Suche findet man einen grundehrlichen Riesling (lacht). Ich glaube, wir bauen Lautsprecher für Leute, die einen Teil dieses Weges schon hinter sich haben und mittlerweile wissen, was sie wollen- den grundehrlichen Riesling, oder andersherum gesagt, einen neutralen, ehrlichen Lautsprecher mit Langzeitqualitäten, mit Verve, Rhythmus, Feingeist und vielem mehr. Wir haben gerade an Montagen häufiger Kunden am Telefon, welche sich übers Wochenende einen audiodata-Lautsprecher ausgeliehen hatten, trotz aller positiven Eindrücke aber nicht sofort eine Kaufentscheidung gefällt haben, sondern erst mal ihre alten Lautsprecher wieder angeschlossen haben. Die dabei gemachten Erfahrungen beschreiben diese Anrufer häufig als dramatisch. Die alten Lautsprecher wirken plötzlich unerträglich, aufgesetzt, inhomogen, trötend, was weiß ich auch immer, nachdem man zwei Tage Gelegenheit hatte, das Bessere zu erleben. Es ist wohl eine Grunderfahrung, das ein Rückschritt als deutlich heftiger erlebt wird, als der vorangegangene Fortschritt. Unser Rat an einen ungeübten Hörer kann daher nur lauten, sich Zeit zu lassen und beim Probehören nicht nervös hin- und her zu stöpseln. So kaufen Sie nur den lauteren Lautsprecher oder denjenigen, der mehr Bass gemacht hat.
Je größer seine Hörerfahrung ist und je länger sich ein Kunde Zeit läßt und je mehr er in Ruhe vergleicht, desto größer ist unsere Chance, dass er sich zum Schluss einen Audiodata-Lautsprecher kauft.