Canton Reference 5 im Test:Aufstellung und Hörtest
Bei der Aufstellung des Reference 5 kommt einem sein Bassreflex-Design entgegen, das nach dem Downfiring-Prinzip arbeitet. Dabei spielt die schwere, wellenförmige Sockelplatte die entscheidende Rolle, deren Aussparung im Oberteil direkt an die Ventilationsöffnung im Gehäuseboden anschließt. Vorn und hinten platzierte Streben sorgen für den nötigen Abstand zum Bodenteil des Sockels, der höhenverstellbare Absorberfüße aufnimmt. Diese »Bass Guide« genannte Formgebung der zweiteiligen Sockelplatte gewährleistet eine gleichmäßige Schallanregung des Raumes, weshalb der Lautsprecher recht wandnah positioniert werden kann, ohne eine aufgedunsene Bass-Wiedergabe befürchten zu müssen.
Das Bi-Wiring-Anschlussfeld ist mit wirbelstromoptimierten WBT Nextgen-Polklemmen ausgestattet, hochwertige Blechbrücken für den Single-Wiring-Betrieb gehören zum Lieferumfang. Oberhalb der Anschlussklemmen befinden sich mit Metalljumpern gebrückte Kontakte, die eine Anhebung respektive Absenkung des Hochton- und des Mitteltonpegels um 1,5 Dezibel gestatten. In schallharten Räumen kann besonders die Möglichkeit zur moderaten Absenkung des Hochtonbereichs hilfreich sein, um die tonale Balance zu wahren. Für unsere Hörtests haben wir den Reference 5 jedoch in der neutralen Einstellung belassen und ihm lediglich mit etwa eineinhalb Metern Distanz zu den Seitenwänden genügend Freiraum gelassen. Der von uns gewählte Abstand zur Rückwand von rund einem Meter kann wie schon angesprochen im Bedarfsfall auch deutlich geringer ausfallen. Aufgrund seines gutmütigen Abstrahlverhaltens erfordert der Reference 5 zudem keine langwierigen Experimente, was das Einwinkeln der Lautsprecher auf den Hörplatz angeht, um eine präzise fokussierte Abbildung zu erreichen: Eine leichte Drehung nach innen empfiehlt sich generell und hat sich auch in diesem Fall als optimal erwiesen.
Die Reference 5 im Hörtest
Tatsächlich rastet das Klangbild bei dieser Aufstellung nach den Faustregeln auf Anhieb in den Raum ein, und auch die Stimme wird bei diesbezüglich sensiblen Aufnahmen wie dem in einer Kirche aufgenommenen Titel »Wuthering Heights« aus dem Album »Ghost Song« von Cécile McLorin Salvant in richtiger Höhe abgebildet. Abhängig von den raumakustischen Gegebenheiten kann schon mal Feintuning vonnöten sein, damit eine Stimmabbildung scharf fokussiert, richtig proportioniert und eben auch in der richtigen Höhe gelingt. Der Reference 5 jedoch lässt sich nicht lang bitten, er stellt die Gestalt der Sängerin sofort greifbar plastisch in den Altarbereich, bleibt in seiner Abbildung völlig stabil und wahrt die Größenverhältnisse, während sie auf den Zuhörer zuschreitet. Daraufhin angesprochen, führt Frank Göbl aus, dass er den Mitteltöner unter anderem deshalb oben positioniert, damit die Höhe der Stimmabbildung passt. »Mad World« von Jasmine Thompson ist eine Studio-Produktion mit ganz anderem Charakter: Clean, nah mikrofoniert, aber behutsam nachbearbeitet. Polituren braucht die Gesangstimme der britischen Sängerin auch gar nicht, die hier von einem echten Flügel begleitet wird, während die dezenten Streicher-Arrangements aus dem Synthesizer stammen. Der Reference 5 greift hierbei die Fokussierung auf die Stimme dankbar auf, widmet sich jeder vokalen Nuance und lässt das warme Timbre des ausdrucksstarken Vortrags unter die Haut gehen.
Die norwegische Folksängerin und Komponistin Sinikka Langeland spielt mit Maultrommel und Kantele zwei traditionelle Instrumente, die dem Anschein nach nicht so recht zu Jazz passen wollen, und doch belehrt sie auf ihrem aktuellen Album »Wind And Sun«, das von ECM produziert wurde, eines Besseren. Mit Mathias Eick an der Trompete, Trygve Seim am Tenor- und Sopransaxophon sowie Mats Eilertsen am Kontrabass und Thomas Stronen am Schlagzeug konnte die kreative Musikerin hochkarätige Solisten gewinnen, die alle bereits eigene Alben bei ECM veröffentlicht und dieses hochinteressante Projekt maßgeblich geprägt haben. Einige Titel wie der Opener »Row My Ocean« sind zunächst gewöhnungsbedürftig und führen entlang melancholischer Melodien in mystische Klangpanoramen, die sich mehr und mehr auffächern. Die Facetten experimenteller Kompositionen wie dieser zu entdecken, fällt wesentlich leichter, wenn die Anlage »mitspielt«, das komplexe Geflecht aufzeigen und tragende Elemente einordnen kann. Der Reference 5 versteht sich hierbei auf eine einfühlende Spielweise, die Improvisationen ins rechte Licht rückt und den Dialog der Musiker atmosphärisch auflädt. Bei »When The Heart Is A Moon« hinterlässt das Spiel von Sinikka Langeland auf ihrer Kantele seine entschleunigende Wirkung und wird als essenzieller Bestandteil des musikalischen Geschehens offengelegt. Zugleich dosiert der Reference 5 hier die typische Prägnanz der Trompete auf den Punkt und lässt das Tenorsaxophon wunderbar samtig-gelb schimmern.
Prächtige Klangfarben
Wenn ein Lautsprecher in besonderer Weise auf sich aufmerksam gemacht hat, darf ein persönlicher Jazz-Favorit nicht fehlen: »The Way Some People Live« aus dem Album »City Of Broken Dreams« vom Giovanni Guidi Trio. Diese hervorragende, sehr vertraute ECM-Einspielung zeichnet sich vor allem durch ihren geradezu luziden Charakter aus, und der Reference 5 verhält sich hierbei wie eine akustische Lupe. Gleich zu Beginn des Titels schwingen die sanft angeschlagenen, großen Becken mit messerscharf gezeichneten Konturen vor dem geistigen Auge und versprühen ihren unverwechselbaren Messingglanz. Wenige Takte später verschafft sich aus der Tiefe der Bühne heraus der Kontrabass mit all seiner sonoren Autorität Gehör, richtig proportioniert abgebildet und staubtrocken klingend. Zudem entwirft der Canton-Lautsprecher hier eine akkurat gestaffelte, realistisch dimensionierte Bühne, die taghell ausgeleuchtet ist und sich imaginär mühelos abschreiten lässt. So ermöglicht der Reference 5 gewissermaßen wortwörtlich einen Perspektivenwechsel und schafft ein Höchstmaß an Authentizität. Was diese letztlich alles entscheidende Fähigkeit angeht, die Konserve beinahe vergessen zu machen, muss sich der Canton nun mit einem Live-Erlebnis messen, das noch in lebhafter Erinnerung ist: Eydís Evensen im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Die isländische Pianistin und Komponistin hatte dort am 10.06.2023 im Rahmen ihrer ersten Europa-Tournee fast ihr ganzes, noch überschaubares Repertoire gespielt und ihr wenige Wochen zuvor erschienenes Album »The Light« vorgestellt, das von Valgeir Sigurðsson ausgezeichnet produziert worden ist. Leider fehlte beim Konzert der vielstimmige Chor »Schola Cantorum Reykjavicensis«, der jetzt das Vokal-Stück »The Light II« singt. Der Reference 5 präsentiert den Chor fein säuberlich sortiert in glaubhafter Ausdehnung, die sich weit über die Lautsprecherbasis hinaus erstreckt, und grenzt einzelne Stimmen glasklar voneinander ab. Doch es sind die Momente, in denen Piano und Streichquartett den unnachahmlichen Zauber dieser fließenden Melodien freisetzen, die mich nun beinahe genauso intensiv berühren, wie an jenem Konzertabend. Der Flügel steht wie eine Skulptur auf der Bühne, wird in seinem vollen dynamischen Umfang dargeboten. Gleichzeitig entfaltet der Reference 5 hier eine Klangfarbenpracht, die kein Auge trocken lässt.