Wanderer zwischen den Welten
Allerdings sieht Andreas Schönberg Transistoren klanglich als vorteilhaft an, wenn es darum geht, schnell sehr viel Strom bereit zu stellen und setzt deshalb auf eine dreistufige Hybrid-Schaltung mit Röhren und Transistoren. Apropos Strom: Statt die Verstärkerleistung mit riesigen Kondensator-Batterien zu generieren, gönnt Andreas Schönberg dem P 112 zwei RC-gesiebte Transformatoren mit 500 Watt Leistung pro Kanal - „Hubraum ist halt wirklich durch nichts zu ersetzen“.
Im Detail hat die Technik des P 112 viele weitere Leckereien zu bieten, beispielsweise werden als Arbeitspunkte der Endtransistoren spezielle Folienwiderstände eingesetzt, die Leiterbahnen sind mit einem besonders dicken Kupferauftrag versehen. Des weiteren ist Resonanzoptimierung bei Audio Exklusiv ein ganz wichtiges Thema, schließlich gehören Gerätefüße, Gerätebasen und Abschlussstecker zum Sortiment. Doch auch im Verborgenen wird viel getan, um die Schwingungseigenschaften der Komponenten bereits ab Werk zu tunen: Im P 112 findet sich an diversen neuralgischen Punkten dasselbe weiße, gepressten Filzfasern ähnliche Material, aus dem auch die Stifte der resonanzoptimierenden Terminierungsstecker gefertigt werden. Wie viel minutiöse Feinarbeit im P 112 steckt, darüber ließe sich noch einiges berichten, aber es wird Zeit zu sehen, ob der P 112 sein Klangversprechen einlösen kann.
Doch wie sieht diese Intention überhaupt aus? Einfach gesagt: Der P 112 soll außerordentlich musikalisch klingen. Diese gewöhnlicherweise von mir tunlichst vermiedene Metapher fasst am besten zusammen, was Andreas Schönberg mit seinem Konzept erreichen möchte, denn der P 112 glänzt nicht mit Störabständen und Klirrfaktoren wie aus dem Bilderbuch; statt dessen fokussierten sich die Entwickler auf viel Stromlieferfähigkeit, schnelle Anstiegszeiten, bestimmte Charakteristika der Klirrspektren und eben auf Resonanzoptimierung. Da tut sich der alte Graben auf zwischen Neutralität und Musikalität, spukt eine Dualität herum, die eigentlich keine ist - theoretisch. Praktisch sieht es so aus, dass für ein mit definiertem Aufwand konzipiertes Gerät bestimmte Prioritäten gesetzt werden müssen, und genau da offenbaren sich deutliche Unterschiede zwischen Herangehensweisen und hörbaren Resultaten.
Das beweist auch der P 112 sofort und sehr nachdrücklich, denn er klingt unüberhörbar anders als die meisten Verstärker seiner Preisklasse - und ich möchte beinahe hinzufügen „unserer Zeit“. Der Audio Exklusiv P 112 spielt ungemein energisch, spannungsgeladen und agil, wobei er sich als erstaunlich unkritisch gegenüber Lautsprechern erweist: Mit kleinen Perlen wie den Sonus faber Guarneri Evolution geht er ebenso eine produktive Spielgemeinschaft ein wie mit den pfundigen T+A Criterion TCD 210 S. Seine frappierend kraftvolle Gangart behält der P 112 auch an anspruchsvollen Lautsprechern, Leistungsreserven hat er gefühlt fast ohne Ende. Zu den offenkundigen Qualitäten des P 112 gehört außerdem eine ausgeprägte Vorliebe für Nuancen, Atmosphäre und wirklich riesige Raumabbildung; was ihn vor allem von den meisten Konkurrenten seines Segmentes absetzt ist jedoch die Luftigkeit und Leichtigkeit, mit der er komplexes Klanggeschehen barrierefrei durchhörbar macht.
Aber da ist noch mehr: Der P 112 hat die selten auf solchem Niveau kultivierte Fähigkeit, jederzeit wunderbar organisch zu klingen, seine grenzenlos wirkende Offenheit mit eindringlicher Plastizität zu verbinden. In dieser virtuosen Gratwanderung zwischen Neutralität und Emotionalität ist auch die Charakteristik eingebettet, mit der sich der P 112 gegenüber einem zuweilen hörbaren Zeitgeist profiliert: Der Kleine von Audio Exklusiv feiert eine Renaissance der Klangfarben, berührend verbindlich und immer hübsch artig die Grenze zur Einflussnahme wahrend. Klares Fazit: Die Performance des Audio Exklusiv P 112 ist analytisch gesehen beruhigend ‚richtig‘ und geht so richtig durch den Magen.