Technik
Einen Röhrenverstärker zu bauen, ist kein großer Akt: Netzteil, Röhren, Ausgangsübertrager nach bekannten Schaltungsmustern verstrippen - fertig. Heraus kommt ein Amp, der in der Regel 2 x 25 Watt leistet, bis 20.000 Hertz überträgt und bei minimaler Leistung gerne zweistellige Klirrfaktorwerte aufweist. Selbst das lässt sich anscheinend immer noch verkaufen. Wenn Lothar Wiemann T+A-Chef Amft einen solchen Verstärker auf den Tisch gestellt hätte, wäre es wohl mit mehr als der Freundschaft vorbei gewesen. Doch der Chefentwickler ist ein helles Köpfchen und so ersann er ein vollkommen neues Layout für den V 10. Natürlich hat auch die Marketing-Abteilung helle Freude am neuen Konstrukt, hört es doch auf die faszinierende Abkürzung SPPP. Das steht für „Single Primary Push Pull“ und unterscheidet sich gegenüber herkömmlichen Schaltungen in erster Linie dadurch, dass positive und negative Betriebsspannung gebraucht werden. Durch Anordnung der Endröhren in Reihe ergibt sich ein weiterer Vorteil, denn der Ausgangstrafo ist nicht mehr für die Gegenkopplung zuständig. Die im Falle des V 10 eingesetzten Ringkernübertrager werden im Herforder Werk gefertigt. Wozu das alles?
Für Messresultate, die wir bei einem Röhrenverstärker bisher kategorisch ausgeschlossen haben. Rekordverdächtig ist der Übertragungsbereich, der bis an die 100 kHz-Marke reicht. Selbst für wirkungsgradschwächere Lautsprecher dürften die zweimal 80 Watt ausreichen, um sie zum Spielen zu bringen. Fast unglaublich ist der Umstand, dass der Klirrfaktor bei Volllast an der 0,5-Prozent-Marke scheitert. So niedrige Klirrwerte haben wir bei keinem röhrenbestückten Verstärker bisher gesehen. In der Summe versehen zehn Röhren, acht davon sichtbar ihren Dienst im T+A.
Von Svetlana stammen die großen Leistungsröhren EL509-2, davor arbeitet jeweils ein Paar ECL82 als Spannungsverstärker und ein Doppelpack ECC99 zur Gitteransteuerung. Im Inneren verstecken sich noch zwei ECC83, zwei klirrarme Exemplare, die sich um die Vorverstärkung kümmern. Über alle zehn Glimmkolben wacht ein hochmoderner Mikroprozessor, der stets für optimale Betriebsbedingungen sorgt. Dank seiner Hilfe kann der ganze Satz Röhren bis zu 5.000 Stunden spielen. Sind damit alle Probleme gelöst? Nicht ganz, denn Röhren sind mikrophonie- und erschütterungsempfindlich, was die Unzahl von im Zubehör angebotenen Tuning-Kits unterstreicht. Doch von diesen Hilfsmitteln wird der V 10 nicht profitieren können, denn er ist von Haus aus eine Wucht. Satte 25 Kilogramm ist der Amp schwer. Auf Absorber-Füßen lagert das stabile Stahlchassis, die Acrylplatte ist nicht nur nett anzuschauen, sondern unterdrückt Vibrationen ebenso wie die in Sandwichbauweise konstruierten Aluminiumteile.
Resonanzen werden durch massive Aluglocken unterdrückt, in die Endstufenkondensatoren, Haupttransformator und Übertrager gegossen sind. Einzig das Adjektiv „perfekt“ dient hier der Beschreibung. Freilich führt diese Abschottung zu einer neuen Schwierigkeit, werden über längere Zeit hohe Leistungen abgefordert, kann es im Inneren des vollgepackten Gehäuses sehr warm werden. Genau deshalb ist horizontal ein temperaturgesteuerter Lüfter installiert. Dass dieser nicht hörbar ist, versteht sich wohl von selber. So viel sinnvolle Technik hat es rund um das Bauteil Röhre nie zuvor gegeben.