Begnadet
Während des Hörtests dienten hauptsächlich die kürzlich hier vorgestellten Mono-Endverstärker "MAX" von Audionet als Antreiber für die Guarneri Evolution, zusammen mit der Vorstufe Audionet PRE I G3 - Spielpartner, die den Lautsprecher natürlich voll ausreizen. Doch die Guarneri Evolution ist beileibe keine Diva, gibt sich trotz ihres überschaubaren Wirkungsgrades auch mit wesentlich weniger Leistung zufrieden und holt überdies klanglich weniger talentierte Verstärker da ab, wo sie stehen - dass die sie ansteuernde Elektronik dennoch von sehr hoher Güte sein sollte, dürfte sich von selbst verstehen.
Wenn man die Guarneri Evolution als "Kompakt-Lautsprecher par excellence" bezeichnet, wird man ihrer Bedeutung nicht ganz gerecht, denn das war die Guarneri im Grunde schon immer. Wer sich nicht einfach in ihren Bann ziehen lassen konnte und unbedingt ein Haar in der Suppe finden musste, stellte fest, dass sie - wie andere ältere Lautsprecher von Sonus faber aus der Ära des Firmengründers Franco Serblin auch - tendenziell dunkel timbriert war und nicht immer die letzte Offenheit geboten hat. Mittlerweile hat Sonus faber diesbezüglich einen Paradigmenwechsel vollzogen: Man lässt sich nicht mehr darauf ein, auch nur ein Quentchen Auflösung und totale Neutralität zugunsten einer ganz besonders geschmeidigen Spielweise zu opfern. So können sich Chefentwickler Paolo Tezzon und Livio Cucuzza voll austoben, und das bedeutet auch: Sonus faber will das Seil, dass zwischen lupengleicher Präsentationsqualität und cremiger Verführung gespannt ist, höher hängen denn je.
Dass hört man der Guarneri Evolution deutlich an, und sie balanciert darauf in schwindelerregender Höhe mit schlafwandlerischer Sicherheit. Sie schöpft Klangfarben wie aus einem Füllhorn, zugleich bietet sie eine faszinierende Plastizität und Durchhörbarkeit über ihr gesamtes Spektrum hinweg, involviert so sofort ganz in die Musik. Und sie füllt den Raum wirklich mit Klang, hat bemerkenswertes Durchsetzungsvermögen und echte Präsenz, so dass Musik auch körperlich berührt. Hiermit sind keine Bass-Schläge in die Magengrube gemeint; es geht um ein Klangbild mit Substanz und Körper, darum, dass einzelne Schallereignisse Gestalt annehmen, anstatt bloß hörbar zu sein.
Wie locker die Guarneri Evolution bis oberhalb des Tiefbassbereichs hinunter spielt, ist eine Wonne; dabei bleibt sie straff, knackig und hervorragend differenzierend. Popmusik von Madonna über Lana Del Ray bis Yello ist auch bei Party-Lautstärke ein sattes Vergnügen, selbst das Minnesota Orchestra beraubt sie nicht seines Fundaments. Die besonderen Stärken der früheren Guarneri vermag die Evolution auf allerhöchstem Niveau zu kultivieren: Sie lässt Stimmen leibhaftig atmen, präsentiert jede noch so kleine Facette gesanglichen Ausdrucks mit größter Selbstverständlichkeit. Dazu ist ihre Souveränität wahrlich phänomenal, die Integrationsfähigkeit und Ausgewogenheit ihrer Spielweise gleichermaßen beispielhaft wie ergreifend. So erweist sich die Evolution auch klanglich als würdiger Neuzugang der Top-Serie Fenice, repräsentiert als Kompakt-Monitor ‚das neue Sonus faber‘ auf eindrucksvollste Weise. Ein Riesenkompliment: Die Sonus Faber Guarneri Evolution hat immenses audiophiles Potenzial und stellt die AV-Magazin-Referenz für Kompakt-Lautsprecher.