Keine halben Sachen
Wie gesagt - schaut man genauer hin, entpuppt sich auch der Vanguard als sehr vielseitige Komponente für unterschiedliche Bedürfnisse. Dennoch ist er im Kern genau das, wonach er aussieht: ein klassischer Stereo-Vollverstärker. Mit allen traditionellen Qualitätsmerkmalen, die dazu gehören - sonst wäre es kein Krell. Im einzelnen bedeutet dies, dass die Vorstufen-Sektion des Vanguard vollständig symmetrisch und diskret in reiner Class-A-Technik aufgebaut ist. Ihr Schaltungslayout und ihre Komponenten sind an die Referenz-Vorverstärker Illusion angelehnt, darüber hinaus profitiert die gesamte Topologie des Vanguard von einer Spezialität des Hauses: Der Krell Current Mode-Technologie. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um eine Strom-Verstärkung; dieses Schaltungskonzept sorgt gegenüber der zumeist üblichen Spannungs-Verstärkung dafür, dass höhere Stromstärken im Signalweg der Komponente ohne besonders üppig dimensionierte Kondensatoren transportiert werden können. Inzwischen sind ähnliche Ansätze in anderer Elektronik zu finden, Krell hat allerdings als Pionier auf diesem Gebiet seine Technologie über viele Jahre hinweg perfektioniert, so dass die schlussendlich notwendige Umwandlung von der Stromverstärkung zur Spannungsverstärkung in Krell-Designs so spät wie möglich stattfindet. Diese Art internen Signaltransfers soll eine höhere Bandbreite ermöglichen und Verzerrungen minimieren.
Auch in der Endstufen-Sektion des Vanguard gibt es keine halben Sachen: Ein riesiger Ringkern-Transformator mit sagenhaften 750 Voltampere Leistung bildet das Rückrat des Kraftwerks, für üppige Reserven sorgen Kondensatoren mit einer Gesamtkapazität von stolzen 80.000 Mikrofarad. Inmitten dieses nicht gerade gekleckerten Aufbaus unterstützen zwei kleine, sehr leise Lüfter die Wärmeableitung; die in Gang zu bringen, dazu gehört allerdings schon einiges …
Für die Hörtests haben wir als Quelle unseren Referenz-CD-Player Audionet ART G3 mit EPX genutzt und als Lautsprecher unsere Referenz-Arbeitsgeräte Elac FS 507 VX-JET zur Seite gestellt, die Verkabelung stammte von Oehlbach. Im Player rotiert „Wallflower“ von Diana Krall und bei dieser Darbietung beweist der Vanguard: Er ist alles andere als ein Mauerblümchen. Er vermittelt gekonnt die Subtilität der Atmosphäre, leuchtet den Raum in allen Achsen sehr großzügig aus und präsentiert jede Nuance. Auch mit großen Herausforderungen wie der Firebird Suite, interpretiert von Eiji Oue mit dem Minnesota Orchestra, geht der Vanguard völlig souverän um: Selbst bei realistischer Lautstärke bleibt die Fokussierung messerscharf stabil, scheinen seine Dynamikreserven noch lange nicht ausgeschöpft. Im Gegenteil: Die Performance des Vanguard kennzeichnet vor allem eine spielerische Leichtigkeit in jeder Situation.
Mal sehen, ob wir das ändern können: Mit dem Technics SB-R1 hängen wir einen außergewöhnlich leistungsfähigen, allerdings naturgemäß auch recht anspruchsvollen Full-Range-Wandler an den Vanguard. Doch auch in dieser Kombination bleibt die Power des Vanguard in jeder Note spürbar, seine berührende Finesse und Spielfreude können sich an diesen großen Lautsprechern voll entfalten - das ist bei einem vergleichsweise kompakten Vollverstärker eine echte Überraschung. Dabei demonstriert der Vanguard in einer virtuosen Synthese von Agilität und Reife seine wahre Größe: Er klingt sehr energisch, zupackend und verbindlich, macht jedoch nie mehr als einfach ganz gelassen seine Arbeit. Für dieses audiophile Niveau verleihen wir dem Vanguard das AV-Magazin-Highlight-Prädikat.