Vincent SV-500MK im Test:Interna
Im Inneren kümmern sich weiterhin zwei russische 6N1-Röhren und eine chinesische 12AX7 (ECC83) um die musikalische Vorarbeit. Die finale Leistung liefern diskret aufgebaute Transistor-Endstufen von Toshiba, die im Class-AB-Modus bis zu 80 Watt pro Kanal an 4 Ohm stemmen. Die Stromversorgung übernimmt ein 110-Watt-Ringkerntransformator, flankiert von 20.000 µF Siebkapazität – das ist ordentlich für einen Amp dieser Klasse. Vincent liefert den SV-500MK mit einer massiven Fernbedienung aus Aluminium, die in Funktion und Haptik zum Gerät passt und niemanden vor Rätsel stellen dürfte.
- Sauber nach Funktionsgruppen getrennter Aufbau. Rechts im Bild: drei Röhren für die musikalisch anspruchsvolle Vorverstärkung (Bild: Vincent)
Hörtest
- Macht optisch eine erstklassige Figur und spielt klanglich in der Top-Liga (Bild: Vincent)
Ein Großteil der Hörstrecke findet mit der Bluetooth-Verbindung statt, die ich beim SV-500MK für klanglich recht hochwertig halte. Ansonsten kommt die herausragende Streamingbridge Métronome DSS 2 (4.450 Euro) über den Koaxial-Eingang zum Einsatz. Zur Bewertung der reinen Analogfähigkeiten spielen mein Plattenspieler J. Sikora Initial Max und der Linnenberg Bizet-Phono-Pre sowie der Norma Audio-DAC meiner Vorstufe SC-2. Dazu verliere ich gegen Ende des Hörberichts noch einige Worte. Als Lautsprecher kommen die nicht gerade mit einem üppigen Wirkungsgrad gesegneten ATC SCM50PSL zum Einsatz. Die britischen Drei-Wege-Lautsprecher stellen den Vincent SV-500MK jedoch vor keinerlei Probleme – der Amp wirkt zu keinem Zeitpunkt überfordert.
Und damit noch ein Hinweis (und kleiner Spoiler) vorneweg: Ich habe den Vergleich des Vincent SV-500 MK mit günstigeren Vollverstärkern wie meinem Cambridge CXA81 (999 Euro) recht schnell verworfen und mich stattdessen ein wenig nach oben hin orientiert – die Klangqualität des Vincent gibt das locker her. Bedeutet aber auch, dass einige Vergleiche knapp zugunsten der teilweise deutlich teureren Verstärker ausgehen. Das sollten Sie beim Lesen immer bedenken.
Tonales
Schon frisch aus der Packung (der Vincent kommt übrigens richtig sorgfältig doppelt verpackt) zeigt der SV-500MK keine Spur vom oft entweder ein wenig anämisch-nervigen oder dumpf-glanzlosen Klangbild so mancher Amps, die der Spediteur bei 5 Grad Außentemperatur angeliefert hat. Stattdessen wuchtet der Iffezheimer einen druckvollen, aber nicht übertriebenen, sondern bei Bassdrums schön elastischen, schwungvollen Bass aus den 25-Zentimeter-Tieftönern, der sich harmonisch an den Mittenbereich – dazu gleich mehr – anschließt. Der Bass ist so süffig, dass ich mich zu einem Test mit einem Stück hinreißen lasse, dass selbst mehrfach teurere Amps vor Probleme stellen kann. „Angel“ von Massive Attack kann zum Dröhnen und Wummern neigen, wenn das Verstärker/Lautsprechergespann zu wenig Kontrolle ausübt. Das ist hier schon mal nicht der Fall, ich kann die einzelnen Töne gut nachvollziehen, da wabert nix. Dass es dem SV-500MK dann nicht ganz so gut gelingt wie einem mit 3.830 Euro (inklusive feiner Digitalplatine) gut zweieinhalbmal so teuren Norma Audio HS IPA-1, die fein verästelten Strukturen der komplexen Basslinie ganz offenzulegen – es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Aber wie gesagt: Die nötige Kontrolle ist da, und alles andere ist angesichts der Preisklasse Jammern auf höchstem Niveau. Im Tiefbass schiebt der Vincent dafür umso energischer an – nicht schlecht, Herr Vincent!
Im Mittelton überrascht der SV-500MK mit einer offenen Ansprache und einer minimalen Vorliebe (von Betonung mag ich nicht sprechen) für den oberen Mitten- und Präsenzbereich, die er charmant als ein frisches, lebendiges Klangbild verkauft, das Stimmen und Instrumente (zum Beispiel akustische Gitarren) auf natürliche Weise unbeschwert atmen und perlen lässt. Insbesondere Frauenstimmen gewinnen so ein wenig an Präsenz und zeigen etwas weniger Brustvolumen als zum Beispiel mit einem Marantz Model 50 (1.800 Euro). Doch dass der Vincent SV-500MK so realistische, nuancenreiche Klangfarben produziert, ohne in romantisierende Schönfärberei zu kippen, kann man ihm nicht hoch genug anrechnen. In „A Case of You“ von Diana Krall lässt er Stimme und Klavier frei atmen und schimmern, dass es eine wahre Freude ist.
Im Hochtonbereich zeigt sich der Vincent offen, aber nicht aufdringlich, sauber, aber nicht steril. In Dave Brubecks „Take Five“ perlen die tausendmal gehörten Becken klar und prägnant, wenn auch nicht mit der fließenden Seidigkeit des Marantz M50 oder der allerletzten Luftigkeit und Offenheit im Superhochton, die der Norma Audio HS IPA-1 zu liefern vermag. Angesichts des fairen Preises des SV-500MK erscheint das also als vollkommen vertretbar. Mein Cambridge CX-A81 ist dem Vincent im Hochton übrigens charakterlich nicht unähnlich, legt aber eine Schippe Pegel drauf, was ihn im Verbund mit hell klingenden Lautsprechern eher disqualifiziert – der Vincent SV-500MK hingegen kommt zum Beispiel auch mit einer JBL 4309 prima zurecht.
Details, Raum, Impulse
Auch bei der Detailauflösung gibt sich der SV-500MK kaum eine Blöße. Er spielt ehrlich, unterschlägt keine musikalisch relevanten Informationen, spielt sich aber dabei nicht als klinischer Analytiker auf. Miles Davis’ „So What“ bringt er transparent und lebendig – mit einer Natürlichkeit, die zu keinem Zeitpunkt in Technokratie ausufert. Die Balance zwischen Information und Musikalität gelingt ihm so überzeugend, dass ich gar nicht mehr darauf achte, was genau hier passiert, sondern mich im wie verlieren mag. Spannend wird es bei Impulsen: Transienten setzt der Vincent SV-500MK flott um, rundet sie aber leicht ab – das lässt ihn etwas weicher im Ansatz wirken als viele reine Transistor-Amps und verleiht ihm eine entspannte, unaufgeregte Gangart. Bei Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ zeigt er, dass es ihm trotz dieser runderen Gangart nicht an Kraft mangelt. Grobdynamische Ausbrüche meistert er überzeugend. In feindynamischen Mikrodetails mag er sich allerdings eher nicht verlieren. Aber auch hier muss man sagen: In dieser Preisklasse wäre das die Kür – und wenn ein 1,5-K-Euro-Amp in Sachen Feindynamik glänzt schafft, kann es gut sein, dass er dafür die Grobdynamik ein wenig schleifen lässt.
Beeindruckend ist die räumliche Darstellung des Vincent SV-500MK: Der Raum öffnet sich großzügig nach oben und zu den Seiten, auch wenn er die ganz tiefe Staffelung der Bühne hinter die Lautsprecherebene hinein nicht voll ausreizt. Das Geschehen bleibt in der Nähe der Lautsprecherebene, was dem Hörerlebnis jedoch keinen Abbruch tut – das Live-Feeling in der Eagles-Version von „Hotel California“ kommt jedenfalls sehr glaubwürdig rüber. Klangquellen stellt der SV-500MK etwas größer als gewohnt und nicht sonderlich scharf voneinander getrennt dar. Er schwelgt ein wenig in der Größe seines Klangbilds, was aber höchsten eingefleischten Nahfeldhörern auffallen dürfte.
So, und jetzt gibt es noch ein „aber“ …
Analoge Kost
… und danach kommt was Positives. Denn obwohl der integrierte DAC bereits eine echt überzeugende Performance liefert, entfaltet der Vincent SV-500MK sein volles Potenzial tatsächlich mit einer hochwertigen externen Quelle: Dann gewinnt er nochmals spürbar und beweist, dass in ihm noch mehr steckt. Dann schärfen sich das Klangbild und die Umrisse von Klangkörpern, Transienten bekommen (minimal) mehr Biss, Details mehr Strahlkraft. Wohlgemerkt, der integrierte DAC ist für die Alltagsnutzung und insbesondere den Betrieb am TV über HDMI ARC vollkommen ausreichend – doch Pink Floyds „Time“ via meine Analogkette oder Norma-Audio-DAC zeigen eindrucksvoll, wie viel mehr möglich ist, wenn man dem Verstärker eine nochmals bessere Quelle gönnt. Ob das im Einzelfall sinnvoll ist, sollte man selbstverständlich ausprobieren. Auf jeden Fall würde ich dem Vincent SV-500 MK ohne zu zweifeln eine 1.000-Euro-Phonostufe plus entsprechenden Plattenspieler zur Seite stellen. Dann hat man für lange, lange Zeit ausgesorgt.