Ohrenspülung
Aufgrund der äußerst anspruchsvollen Aufgabe, Hochton und Transmissionline-Tiefton zeitlich passend aufeinander abzustimmen, ist das Prinzip im Lautsprecherbau nicht unumstritten. Die neue, Sonolex genannte Hochtonkalotte der FB1i erleichtert ob ihrer immensen Schnelligkeit dieses Vorhaben keineswegs, doch natürlich setzte PMC deshalb kein eher gemächliches System ein. Wie das zuvor verwendete Modell wird auch der neue ferrofluid-gekühlte Zweikammer-Hochtöner mit Siebenundzwanzig-Millimeter-Kalotte nach PMC-Vorgaben vom Spezialisten Seas gefertigt. Die ebenfalls überarbeitete Frequenzweiche weist alle Musiksignale oberhalb von zwei Kilohertz dem Arbeitsbereich dieses Hochtöners zu, eingedenk der intensiven Erfahrungen mit dem Vorgängermodell FB1+ scheint die neue Kalotte einen besonders großen Anteil an der Verfeinerung des Lautsprechers zu haben, denn wie bedeutend der klangliche Unterschied zwischen den oberflächlich betrachtet praktisch identischen Modellen ausfällt, überrascht ebenso wie die Charakteristik der klanglichen Differenzen. War die FB1+ bereits nicht gerade Hochton-Allergikern zu empfehlen, legt die neue FB1i nochmals eine ordentliche Portion Präsenz obendrauf. Je nach Hörgewohnheit und beteiligter Elektronik kann leicht der Eindruck entstehen, die Neue würde es in hohen Frequenzbereichen nun doch übertreiben. Um seitens der Zuspieler keine Variablen im Spiel zu haben, verließen wir uns abermals auf die bewährten Frontends Audionet Art G2 und Clearaudio Ambient mit New Symphony sowie die Bochumer Verstärkerkombi Pre G2/Amp I V2, verkabelt haben wir die im Phonosophie-Rack untergebrachten Komponenten mit dem Abbey Road Reference Bi-Wiring-Lautsprecherkabel und dem Abbey Road Reference Starquad-Interconnect von Moving Air. Obwohl PMC-Lautsprecher erstaunlich wenig Einspielzeit benötigen, gehörte die Schublade des Art G2 für einige Tage hauptsächlich unserer Einbrenn-CD, denn wir hatten das Vergnügen ein fabrikneues Exemplar für unseren Test zur Verfügung zu haben. Während der ersten Stunden klingt die FB1i dementsprechend geklemmt und borstig, dennoch bereits sehr verheißungsvoll.
Nach absolviertem Einspielen kamen mehr als gewöhnlich in letzter Zeit sehr häufig herangezogene Aufnahmen zu Gehör um der FB1i klanglich auf die Spur zu kommen - vor allem galt es herauszufinden, ob sie wirklich im Hochtonbereich eine Allüre zeigt, die über Neutralität hinauszielt und derart letztlich allzu demonstrativ auf Studio-Sound getrimmt sein mag. „This Is K2 HD Sound“, die Demo-Disc für ein von JVC entwicklte Masterungverfahren, dient hierbei als Garant für tonale Balance, besonders der Symphonische Tanz Nummer 1 von Rachmaninoff weist darüber hinaus ein enormes dynamisches Spektrum auf. Für die FB1i sind so hervorragende Aufnahmen eine Spielwiese: Sie lässt ein Bild jedes Bogenstrichs der Bassisten vor dem geistigen Auge entstehen, jeder Einsatz des Orchesters scheint von einem Luftholen des ganzen Konzertsaales angekündigt zu werden und trifft den Zuhörer mit ansatzloser Kraftentfaltung dennoch unvermittelt. Pauken grollen wuchtig, messerscharf umrissen, Glöckchen und Schellen klingen mühelos ortbar zart im Getöse des Großorchesters aus. Von Überzeichnung oder Rauigkeit des Hochtons kann inzwischen wirklich keine Rede mehr sein, sämtliche Schallereignisse fügen sich zu einem gänzlich selbstverständlich wirkenden, harmonischen Ganzen von unmittelbarer Plausibilität zusammen. „Monitor-Lautsprecher“ ist mittlerweile zu einer werbewirksamen Modebezeichnung im hochwertigen HiFi-Segment geworden, doch längst nicht jeder Schallwandler schmückt sich zurecht mit diesem Prädikat. Wer tatsächlich möglichst viele klangliche Facetten seiner Tonträger kennenlernen will, wirklich konsequent dem Realismus verschriebene Lautsprecher in Erwägung zieht, der sollte genau wissen, worauf er sich einlässt, denn die Wahrheit ist nicht immer angenehm. Wie ein Seziermesser analysiert die FB1i kleinste Nuancen und tontechnische Charakteristika, nicht jede Einspielung stellt sich so als Zuckerschlecken dar. Die Produzenten zahlreicher bekannter Music-Acts wissen offenbar ganz genau worauf sie sich verlassen, denn die Liste von Künstlern, deren Alben mit PMC-Lautsprechern gemastert wurden, liest sich wie das Who Is Who der Rock- und Popmusik: Von Amy Winehouse über Robbie Williams bis Kraftwerk reichen die prominenten Empfehlungen.
Nun mag man einwenden, Tonmeister stellten andere Anforderungen an ihre Arbeitsgeräte als Musikfreunde, die sich zuhause zurücklehnen; abseits dieses kaum bestreitbaren Umstands stellt sich die Frage, ob deshalb die klangliche Konzeption eines Lautsprechers für diese jeweiligen Bestimmungen unterschiedlich sein muss. Schließlich müssen Audiophile ohnehin mit dem beklagensweten Umstand leben, dass hochauflösende Ketten tontechnische Tiefpunkte als solche präsentieren - ohne diese vermeindliche Kehrseite der Medaille wird sich die ganze Anziehungskraft vorbildlicher Produktionen nie erschließen. Im Übrigen klingen mäßige Produktionen über schmeichelnde Systeme auch nicht gut und sollte man unangenehme Nachrichten nicht der Botin vorwerfen. Letztlich geht es um persönliche Hörerfahrung und Erwartungshaltung: Mit der Bereitschaft, sich beides entwickeln zu lassen, lernt man die Qualitäten eines Schallwandlers wie der FB1i zunehmend schätzen. Eigenschaften wie geradezu ungeheure Transparenz wirken mit einem Mal selbstverständlich, aufgezeigte Feinheiten werden unmittelbar als der Musik beziehungsweise der Aufnahme zugehörig erkannt.
Ein neues Werk des chinesischen Ausnahme-Künstlers He Xun Tian, „Pára Mitá“, eignet sich bestens, die Tieftonfähigkeiten der FB1i auszuloten. Wie immer verwöhnt auch diese als 180g-Audiophil-LP vorliegende Einspielung des Dadawa-Produzenten mit wahrhaft außergewöhnlicher Opulenz. Den Anlass für diese Komposition bildete das Auftragswerk Para Mita zur Wiedereröffnung der 1923 eingestürzten Lei-Feng-Pagode in der chinesischen Provinz Hang-Zhou. Besondere Aufmerksamkeit aus klanglicher Sicht verdienen zwei Titel: Für „Song Of Pipa“ sind einundachtzig Musiker auf einer riesigen Bühne versammelt, die Instrumentierung besteht wie gewohnt überwiegend aus großformatiger Percussion. „Moons Upon A Thousand Rivers“ ist aufgrund seiner Dynamiksprünge für kleine Lautsprecher schlicht ungeeignet. Umso mehr fühlt sich die PMC FB1i mit dieser Anforderung wohl, bleibt auch bei sehr hohen Abhörlautstärken, die dank minimaler Verzerrungen niemals unangenhem als solche auffallen, unbeirrbar exakt im Timing und lässt die ganze Wucht der Instrumentenflut regelrecht im Raum explodieren - was für ein Fest! Die Vorzüge dieses offenkundlich meisterlich abgestimmten Transmissionline-Konzeptes sind unüberhörbar: Man glaubt kaum, dass dieser bescheiden dimensionierte Lautspecher eine solche Menge Energie zu reproduzieren vermag. Im Zuge ihrer Wahrheitsliebe zollt die FB1i einen einzigen Tribut an ihre Zwei-Wege-Bauweise, sie entfaltet nicht jede klangfarbliche Nuance im Mittelton und oberen Bassbereich, das wäre angesichts ihrer Chassisbestückung einfach zu viel verlangt. Anrechnen sollte man ihr, dass sie nichts vorgaukelt, sondern ihrem Ursprung gemäß schnurgerade auf dem tonmeisterlich ehrlichen Pfad bleibt. Unter dem Strich kann man nur sagen: Jede klangliche Wahrheit braucht einen mutigen Lautsprecher, der sie vor Ohren führt - die PMC FB1i verdient sich in dieser Hinsicht größte Anerkennung, begeistert genreunabhängig mit weit über ihre Preisklasse hinwegreichendem Realismus. Wir möchten ihre ungeschminkte Präsentation jedenfalls nicht mehr missen, das AV-Magazin hat in der Kategorie Standlautsprecher einen Neuzugang bei den Arbeitsgeräten.