Technics SL-1300G im Test:Klangbeschreibung und Praxis
Wer die „originalen“ SL-Dreher kennt und schätzt, hat sicherlich einen ganz bestimmten Sound im Kopf. Punchy, energetisch, druckvoll, nicht unbedingt mit der besten Auflösung oder Raumabbildung gesegnet (was zu einem großen Teil auf das Konto der gerne verwendeten Ortofon Concorde- oder Shure-Tonabnehmer gegangen sein dürfte), dafür aber sauber und mit hörbar hervorragendem Gleichlauf. Die gute Nachricht ist: Der Technics SL-1300G liefert genau das – mit einem eindeutig hörbaren audiophilen Einschlag. Und das liegt nicht nur am unbestechlich neutralen, klaren und dynamischen Ortofon 2M Bronze (410 Euro), mit dem ich die Headshell des Technics für diesen Test bestücke.
Aber erst mal zur Praxis. Das abnehmbare Headshell des Technics SL-1300G ist ungemein praktisch – nicht nur, wenn man des Öfteren den Tonabnehmer wechselt, sondern auch, weil man die Anschlussdrähte in aller Ruhe anstecken kann, ohne sich in gebückter Haltung halb verdreht einen abzubrechen. Die sicher feststehende Abdeckhaube baut dank des Buckels über dem Tonarmschaft insgesamt erfreulich niedrig, so dass der gesamte Plattenspieler auch unterhalb von niedrig montierten TVs oder Leinwänden stehen kann, ohne den visuellen Genuss damit zu beeinträchtigen. Der Anschluss gelingt fix, auch wenn die Kabel in recht weit unter dem Plattenspieler versetzt angebrachten Buchsen zu stöpseln sind. Ein wenig zu sehr den Rotstift angesetzt hat man leider beim beigelegten Phonokabel, das man eher in der 300-Euro-Klasse erwarten würde, nicht aber bei einem Plattenspieler fürs zehnfache Geld. Da hat mein ATR Celebration 40 (2.500 Euro) mit seinem hochwertigen serienmäßigen Ortofon-Kabel deutlich mehr zu bieten. Dafür läuft jener bei weitem nicht so schnell hoch wie der direktgetriebene Japaner – schon faszinierend, wenn man in gefühlt weniger als einer halben Sekunde auf Nenndrehzahl kommt. Der Start-Stopp-Taster ist gewohnt üppig dimensioniert und gibt dem Nutzer ein sattes haptisches Feedback. Genauso befriedigend fällt der Umgang mit dem Tonarm aus. Da wackelt nix, und man kann die Nadel maximal präzise mit dem feinfühligen Lift in die Rille setzen. Allein die Arretierung der Armablage nötigt den Lift zu einer Gegenbewegung – aber das ist eine Kleinigkeit, die in der Praxis kein Problem darstellt. Die gesamte Haptik ist also der Preisklasse angemessen.
Tonales und Auflösung
Womit wir nun zum Klang kommen und gleich beim „dicken Fisch“ jedes Testberichts ankommen, der Tonalität. Die des SL-1300G kann man als weitgehend ausgewogen beschreiben, wobei sich eine kleine Extraportion Energie im Bass nicht ganz verleugnen lässt. Doch handelt es sich hier nicht um Wollig-wabbelige Masse, sondern um eine eine energetische Dichte des Tons, die vielen anderen Plattenspielern in dieser Klasse abgeht, und die von einer gewissen Opulenz in der Textur bei klar gezeichneter Struktur begleitet wird. Ein Pro-Ject RPM9 zum Beispiel (2.800 Euro) spielt etwas schlanker und somit strikt gesehen neutraler -aber auch vergleichsweise nüchtern und steifbeinig. Da der Tiefton dem Technics trotz aller Kraft im Impuls bestens kontrolliert gelingt und er bei schnell gespielten E-Bass-Läufen strukturiert und bei Kontrabässen schön knorrig-holzig rüberkommt, sehe ich das nicht als Kritikpunkt, sondern als Verbeugung an den „typischen Analogklang“. Anders gesagt: Das macht Laune. Zumal der SL-1300G einen nicht alltäglichen Zugang zu echtem Tiefbass ermöglicht, der meinem Celebration 40 in dieser Konsequenz etwas abgeht. Hören Sie mal „Rat“ vond er Steve Gadd Band, und zwar laut. Und dann sagen Sie mir, ob – entsprechende Lautsprecher vorausgesetzt, da kein Grinsen auf Ihrem Gesicht erschienen ist.
„Da darf die Mitteltonwiedergabe nicht hintenanstehen“, scheinen sich die Entwickler gesagt zu haben. Denn vor allem Stimmen – männliche wie weibliche – bauen sich recht direkt vor dem Hörer auf, wirken klar artikuliert und sehr natürlich. Okay, hier spielt der Celebration 40 mit seinem SPU und dem nachgelagerten Step-up-Transformer etwas farbenfroher, trägt mehr Schmelz auf die Stimmbänder von Jacintha auf. Der Technics lässt die Stimme dafür etwas heller, strahlender erklingen.
Im Hochton zeigen sich die Unterschiede in der Philosophie eine klassisch riemengetriebenen Laufwerks wie dem Celebration 40 und unserem SL wohl am deutlichsten – (und, Spoiler, bei der Grobdynamik, zu der wir gleich kommen). Der Celebration 40 präsentiert die Höhen zwar ebenfalls klar und sauber, aber eher duftig und mild, mit fein schwebnder Aura um jeden Ton. Der Technics will zeigen, was in der Rille ist, erlaubt dem Tonabnehmer also etwas mehr Analyse, und spielt insgesamt einen Hauch frischer und prägnanter. So können schneidig gespielte Schlagzeugbleche schon mal ordentlich scheppern, während viele andere Dreher dem „analogen Ideal“ zuliebe vielleicht noch Gnade walten lassen. Doch das sind eher Tendenzen als absolute Charaktereigenschaften – stressig wird’s nie. Und der famose Bass balanciert das Geschehen eh genial aus.
Räumlichkeit & Dynamik
Von einem direkt angetriebenen Plattenspieler mit DJ-Genen wird man eventuell nicht die allergroßzügigsten Klangbühnen erwarten – und behält damit im Grundprinzip auch hier Recht. Doch der Technics SL-1300G überrascht mit einer räumlichen Darstellung, die alles andere als grob oder primitiv wirkt. Im Gegenteil: Struktur und Präzision in Platzierung und Umrissschärfe sind ihm durchaus geläufig, und er schafft es zudem, einzelne Klangelemente zu einem überzeugenden Ganzen zu vereinen. In der Breite gerät die Bühne großzügig, in die Tiefe hinter die Lautsprecher will der Technics seine Hörer weniger locken –er bevorzugt es, sie aktiv und geradeheraus mit einer direkteren Abbildung zu involvieren.
Der SL-1300G bietet eine sehr hohe dynamische Bandbreite, und zwar erstaunlicherweise nicht nur, wenn es ums „Krachenlassen“ geht. Wobei das schon beeindruckend ist, wenn er ein großes Orchester samt Pauken und Trompeten mit voller Kraft vor einem aufbranden lässt. Auch Drum-Soli wie die von Charly Antolini kommen mit Wucht und Präzision, mit Impact und Körper. Und obwohl der Ortofon 2M Bronze ja als äußerst solide abtastendes MM bekannt ist, erstaunt es mich schon, dass zu keinem Moment ein Anflug von Übersteuern zu hören ist, wenn der Schlagwerkmeister sein Bestes gibt. Doch auch feindynamisch positioniert sich der Technics SL-1300G auf hohem Niveau und macht Chilly Gonzalez‘ Pianospiel auf „Room 29“ zu einem fein modulierten, gänsehauterregenden Erlebnis, das man so in den Diskotheken der Welt sicherlich nicht erleben kann. Intensität und den Ausdruck der Musik authentisch zu vermitteln, liegt dem SL-1300G also fast ebenso gut wie der große Gestus - erstaunlich!