Wilson Audio The WATT/Puppy im Test:Aufstellung und Hörtest
Auf den ersten Blick kann man sich wegen der Terminals am WATT-Modul leicht täuschen, aber dieser Lautsprecher ist ausschließlich für den Single-Wiring-Betrieb ausgestattet. Die oberen Anschlüsse nehmen die Kabel auf, welche von der im Puppy-Modul verbauten Weiche aus zum WATT/Modul geführt werden. Die Frequenzweiche ist mit besonders eng tolerierten Bauteilen bestückt, die von der Reliable Capacitors-Abteilung teils in Handarbeit gefertigt werden. Um die Induktivität möglichst gering zu halten, ist das gesamte Weichennetzwerk frei verdrahtet aufgebaut. Die unten am Puppy-Modul positionierten, ebenfalls selbst entwickelten Lautsprecheranschlüsse nehmen Kabelschuhe und Bananenstecker auf. Im oberen Bereich des Bass-Moduls finden sich zwei mit Polklemmen fixierte Widerstände, die ausgetauscht werden können, um eine separate Pegelanpassung des Hoch- und des Mittelton-Bereichs vorzunehmen.
Aufstellung
Großzügig bemessene Abstände zur rückwärtigen Wand und vor allem zu den Seitenwänden sollten bei einem Lautsprecher dieser Größe grundsätzlich eingehalten werden; darüber hinaus empfiehlt sich, den WATT/Puppy so einzuwinkeln, dass die Innenseiten der Lautsprecher am Hörplatz gerade noch sichtbar sind.
Eine Besonderheit hinsichtlich der Aufstellung beziehungsweise des Aufbaus betrifft die schon angesprochene Ausrichtung des WATT-Moduls, das mithilfe seines hinteren, höhenverstellbaren Spikes geneigt wird. Dabei sind der Hörabstand und die Ohrhöhe maßgeblich, die in einer entspannten Sitzposition gemessen wird. Daraus resultiert die jeweils richtige Länge des Spikes, die Wilson Audio für alle empfohlenen Hördistanzen sowie für typische Abstände zwischen Ohren und Boden ermittelt hat. Sie ist mit entsprechenden Ziffern am Spike gekennzeichnet, die einer zur Bedienungsanleitung gehörenden Tabelle zu entnehmen sind.
Eine gute Lösung, die Wilson Audio hier bereitstellt, obgleich in der Regel ohnehin der Fachhändler im Rahmen der Installation beim Kunden mit dieser Prozedur betraut sein dürfte. Für die klangliche Beurteilung konnte ich die besondere Gelegenheit nutzen, den WATT/Puppy im optimierten Vorführraum bei Audio Reference zu testen, wo Lorenzo Mamaghani die Neigung des WATT-Moduls minimal an meine Ohrhöhe angepasst hat. Mit dCS Vivaldi als Quelle und der großen Vor-End-Kombi von VTL sowie Nordost-Verkabelung waren auch hardwareseitig ideale Rahmenbedingungen geschaffen, um das volle Potenzial dieses Lautsprechers zu erleben.
Hörtest
Das wäre aufgrund der Raummaße in den eigenen vier Wänden nicht zu einhundert Prozent möglich gewesen, doch schon am ersten Tag, kaum allein mit dem WATT/Puppy, entschädigt seine Darbietung für diesen kleinen »Wermutstropfen« bei den ersten Takten von »The Way Some People Live« (Giovanni Guidi Trio, Album »City Of Broken Dreams«). So oft gehört, und doch nie zuvor so wie jetzt: Die Dimensionierung der Bühne ist nicht bloß glaubhaft, sie ist schlichtweg realistisch. Der große Percussionaufbau erstreckt sich in der Breite weit über die Lautsprecherbasis hinaus, und auch in die Tiefe hinein wirkt die räumliche Illusion beinahe uferlos ausgedehnt. Klar, dass da alle Instrumente reichlich Platz um sich herum haben, während sie mit messerscharfen Konturen reliefartig auf den »Brettern« stehen. Anschließend läuft eine weitere hervorragende ECM-Produktion, das aktuelle Album »Compassion«, für das sich Vijay Iyer mit Linda May Han Oh (Bass) und Tyshawn Sorey (Schlagzeug) zusammengetan hat. Auch hier ist die Bühnenabbildung Live-haftig groß und bis in den letzten Winkel hinein taghell ausgeleuchtet; bei etwas unübersichtlichen Stücken wie »Overjoyed« fällt zudem auf, dass der WATT/Puppy auch dramaturgisch ein ordnendes Element einbringt: Dezente Kontrapunkte, kleinste Tempovariationen und subtilste Zwischentöne legt er mühelos offen, macht sie geradezu unüberhörbar. Das virtuose Spiel von Vijay Iyer am Klavier wird in allen Facetten erlebbar; Fingerkuppen, die wieselflink über die Klaviatur fliegen, einzelne Tasten nur hauchzart berühren und zuweilen ganz kurz innehalten - das wird vor dem geistigen Auge zu einem Film, der ganz automatisch abläuft. Dabei hat die Spielweise des WATT/Puppy rein gar nichts mit einem nervösen oder sezierenden Moment zu tun, hier entfaltet sich agile Spielfreude pur, und die Darbietung strotzt vor Atmosphäre. Dafür ist auch die Fähigkeit verantwortlich, Klangfarben akustischer Instrumente mit schlafwandlerischer Sicherheit haargenau auf den Punkt zu treffen. Messingfarbener Glanz, erdige Substanz, knochentrocken scharrende Schwärze und kristallklares Perlen, all diese Charakteristika klingen nachgerade frappierend natürlich.
Eine hervorragend aufgenommene Stimme steht als nächste Prüfung auf dem Programm: Das Album »On & On« von Carolin No, das Carolin und Andreas Obieglo gewissermaßen als Gegenstück zum vorherigen Album »No No« gedacht haben. Zu Beginn des Titels »Vorspiel« singt Carolin Obieglo etwa eine halbe Minute lang ohne Begleitung, nah mikrofoniert aufgenommen und nicht nachbearbeitet. Die folgenden eineinhalb Minuten instrumentaler Klänge gehen an mir vorbei, als das Stück fließend in »Die Straßen der Vergangenheit« übergegangen ist, habe ich noch immer das Stichwort »Maßstab« im Sinn. Zumeist ist die Glaubhaftigkeit des Gehörten jener Maßstab, mit dem wir umgehen, ein Grad von Plausibilität. In eher seltenen Fällen dagegen begegnet man einer täuschend echten Stimmwiedergabe, und genau das habe ich gerade erlebt. Dazu gehört die Proportionalität, die tonale Geschlossenheit, feinste Nuancen der Intonation und das gewisse Etwas, das eine Performance zu mehr macht als die Summe ihrer Teile. Eine gänzlich anders beschaffene Stimme findet sich auf dem inzwischen häufig gehörten Lieblingsalbum »Love In Exile«, das Vijay Iyer zusammen mit Shahzad Ismaily und der pakistanischen Sängerin Arooj Aftab eingespielt hat. Die beiden Instrumentalisten leiten am Klavier und am Moog-Synthesizer den Opener »To Remain/To Return« ein, zelebrieren minutenlang Meditation in Noten und Klängen, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Obwohl Arooj Aftab vor ihrem Einsatz leise summt, schrecke ich förmlich hoch, als die ersten Worte ihres traditionellen Gesangs über ihre Lippen kommen - bei geschlossenen Augen habe ich beinahe den Eindruck, die Sängerin würde tatsächlich im Raum stehen. Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, so ist er nun erbracht: Der WATT/Puppy besitzt die faszinierende Fähigkeit, Stimmen Leben einzuhauchen.
In die Intimität von Kammermusik einzutauchen, bildet einen passenden Übergang nach diesem intensiven musikalischen Erlebnis; Hélène Grimaud spielt zusammen mit der Camerata Salzburg das Klavierkonzert in a-Moll, Op. 54 von Robert Schumann (Album »For Clara, Extended Edition«). Einen Konzertflügel realistisch abzubilden, bleibt auch für hochkarätige Lautsprecher eine Herausforderung, zumal meistens die Produktion ein limitierender Faktor ist. Dieser Aspekt hält sich im vorliegenden Fall in engen Grenzen, und der WATT/Puppy setzt diese Einspielung der Deutschen Grammophon bestens in Szene, durchleuchtet sie und fördert zutage, was in ihr steckt. Der Instrumentenkörper wird als dreidimensionales Gebilde in den Raum gestellt, das resoniert und »atmet«. Was den dynamischen Umfang anbelangt, so scheint dieser Lautsprecher mehr Reserven parat zu haben, als die keineswegs flache Aufnahme erfordert. Die Klangfarben sind auch bei dieser Einspielung ein Hochgenuss, die Streicher leuchten voller Strahlkraft und schmeicheln mit sämiger Wärme; der Flügel entfaltet in seine ganze Farbpracht. Während der kurzen Solopassagen des Flügels fällt eine Charakteristik des WATT/Puppy besonders auf, die ihn auch befähigt, besagte Herausforderung mit Bravour zu meistern: Bei seiner Darbietung verschmelzen die tonale, die dynamische und die zeitliche Dimension zu einem Ganzen. Ein großes Kompliment an Wilson Audio: The WATT/Puppy ist ein Traumlautsprecher!