Wilson Audio The WATT/Puppy im Test:Design und Technologie
Im Laufe seiner fast vierzigjährigen Geschichte hat der WATT/Puppy eine recht große Wandlung vollzogen, und doch sind wesentliche Merkmale - technische wie optische - unverändert geblieben. Schon der Urahn hob sich mit seiner kantig-schnittigen Formensprache vom Rest der damaligen Mitbewerber ab, obgleich besonders das pyramidenförmige WATT-Modul seinerzeit auf manchen Betrachter befremdlich wirkte. Heute pflegt Wilson Audio exklusives Industrialdesign par excellence und setzt mit den komplexeren, großen Standlautsprechern gestalterische Maßstäbe. Deren Design enthält auch organische Elemente, doch der neue WATT/Puppy präsentiert sich wie eh und je mit klarer, gradliniger Linienführung und verdankt seine wahrhaft ikonische Anmutung der konsequenten Reduktion auf das Wesentliche.
Das anlässlich des Firmenjubiläums entwickelte Modell heißt übrigens korrekt »The WATT/Puppy« und löst die 2011 vorgestellte achte Generation des Lautsprechers ab. Bis heute erhalten geblieben ist der Handgriff an der Rückseite des WATT-Moduls; im Gegensatz zur simplen runden Stange am ursprünglichen Monitor ist der neue Edelstahlgriff jedoch ergonomisch geformt, sodass er sich aus unterschiedlichen Winkeln heraus optimal greifen lässt. Privatkunden werden diesen Griff wohl erst zaghaft berühren, nachdem der Lautsprecher vom Fachhändler aufgebaut wurde; zudem ist er dabei nicht sonderlich hilfreich. Dennoch liegt Wilson Audio mit dieser Reminiszenz goldrichtig, denn ein WATT ohne Handgriff wäre kein WATT.
Die alten Profi-Gene werden von exemplarischer Verarbeitungsqualität und einer großen Palette von Gestaltungsoptionen komplementiert, ohne Aufpreis stehen fünf Gehäuseausführungen zur Wahl. Darüber hinaus gibt es »Upgrade« und »Premium-Pearl«-Ausführungen, in Summe sind mehr als drei Dutzend Lackierungen verfügbar - obendrein können individuelle Sonderwünsche berücksichtigt werden. Zudem sind die zum Lieferumfang gehörenden Textilabdeckungen in sieben Farbausführungen erhältlich, und sogar sämtliche Metallteile (Spikes, Handgriff, Reflexport, Blenden von Anschlussterminal und Weiche) sind wahlweise schwarz oder silberfarben zu haben - vorbildlich. Dabei üben die Farbausführungen schon aufgrund der Qualität der Lackierung jeweils ihren individuellen Reiz aus; derart makellose, spiegelglatte Flächen mit beeindruckendem Tiefeneffekt und nahtlose Übergänge sind auch im Luxussegment nicht allerorten vorzufinden. Angesichts dieser Augenweide würde man vermuten, dass da eine externe, hoch spezialisierte Lackiererei am Werk ist, doch alle Lackierungsschritte finden im eigenen Hause statt.
Technologie
Da überrascht es nicht, dass der gesamte Fertigungsprozess am Firmensitz in Provo stattfindet; bemerkenswert ist allerdings, wie weit Wilson Audio innerhalb der vergangenen Dekade den Manufakturgedanken vorangetrieben hat: Selbst kleinere Bauteile wie Spikes und Kondensatoren stammen aus eigener Herstellung, wobei Letzteres dem 2020 erfolgten Kauf des Spezialisten Reliable Capacitors zu verdanken ist, von dem Wilson Audio zuvor Ware bezogen hatte. Trotz dieser beachtlichen Entwicklungs- und Fertigungstiefe werden die Treiber von ScanSpeak gefertigt: Modelle aus den oberen Regalen des dänischen Protagonisten werden nach eigenen Spezifikationen für Wilson Audio modifiziert. Was die In-House-Kompetenz angeht, hat sich Wilson Audio im Laufe der Jahrzehnte vor allem im Bereich der Materialkunde eine führende Position erarbeitet, mehrere High-Tech-Kunststoff-Komposite mit mineralischen Anteilen wurden zu einer Schlüsseltechnologie des Hauses. Beim ursprünglichen Lautsprecher von 1986 wurde allerdings nur das Gehäuse des WATT-Moduls aus Kunststoff gefertigt, das Gehäuse des Puppy-Moduls bestand aus HDF. Für den aktuellen The WATT/Puppy kommen dagegen die neusten Versionen besagter Kompositmaterialien zum Einsatz, deren genaue Zusammensetzung ein Firmengeheimnis bleibt. Hauptsächlich handelt es sich um das sogenannte »X«-Material, das ganz besonders verwindungssteif ist und daher für den Korpus und die internen Verstrebungen verwendet wird. Darüber hinaus dient »S«-Material der optimalen Ankopplung der Montageplatte des Mitteltöners an die Schallwand, während mit »V«-Material an der Oberseite des Puppy-Moduls ein weiterer resonanzkontrollierender Werkstoff als Vibrationsdämpfer zwischen den Spikes des WATT-Moduls und dem Puppy-Modul wirkt.
Treiber & Gehäusekonstruktion
Die modulare Gehäusekonstruktion bringt neben der wirksamen Entkopplung des Mittelhochton-Moduls vom Bassmodul einen weiteren Vorteil mit sich: Mithilfe der zwei vorderen Spikes und des hinteren längeren Spikes wird die richtige Neigung des WATT-Moduls gewährleistet. Die ist wichtig, damit hohe, mittlere und tiefe Frequenzen möglichst zeitgleich am Hörplatz ankommen; die Priorität auf eine zeitrichtige Wiedergabe zu setzen und dies mit geometrischen Merkmalen zu unterstützen, zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Entwicklungen. Hinsichtlich der Treiberbestückung ist The WATT/Puppy identisch mit dem Sasha V; folglich arbeiten zwei 200-mm-Tieftöner im Puppy-Modul sowie ein 180-mm-Mitteltöner und eine 25-mm-Kalotte im WATT-Modul. Die Konusmembrane der Woofer und des Mitteltöners werden aus einem Papier-Verbundwerkstoff hergestellt, wobei unterschiedliche Materialmischungen zum Einsatz kommen. Der auf einem Modell der »Revelator«-Serie von ScanSpeak basierende Mitteltöner zeichnet sich durch ein besonders kräftiges Antriebssystem aus, das mit vier AlNiCo-Magneten bestückt ist. Seine Papiermembran wird während der Formung nach einem genau definierten Muster eingeschlitzt; später werden die Schlitze mit einem speziellen, dämpfenden Kleber aufgefüllt. Die so geschaffene Struktur und der Füllstoff sollen Partialschwingungen der Membran auf ein Minimum reduzieren. Der mit einer beschichteten Gewebekalotte ausgestattete »Convergent Synergy Carbon«-Hochtöner, kurz »CSC«, wurde zuerst im Alexx V verbaut. Er ist in einem separaten Gehäuse montiert, das als akustische Kammer konzipiert ist. Deren Form wurde in aufwendigen Simulationen entwickelt, um den Hochtöner in einem weiteren Frequenzbereich zu linearisieren. Sie wird aus Karbonfaser in einem der hauseigenen 3D-Drucker hergestellt.