Der Zwiespalt
Allerdings hat unsereiner das Glück, manche audiophile Entwicklung im Zeitraffer absolvieren, die eigene Hörerfahrung erweitern und unterschiedliche Klangphilosophien kennen lernen zu dürfen. Natürlich hängt man als Privatmensch der einen eine Weile an, dann der nächsten. Klangphilosophie? HiFi-Komponenten sollen doch per definitionem keinen Klang produzieren, sondern die Aufnahme so unverfälscht wie möglich reproduzieren. Im High-End-Segment definieren sich unterschiedliche Klangvorstellungen natürlich in Nuancen, aber letztlich klingen manche Marken eben wie jene Marken und eine solche klangliche Signatur widerspricht doch dem hehren Ideal. Was technologische Ansätze angeht, kann man mit der salomonischen Sicht, dass mehrere Wege nach Rom führen, seinen Frieden machen. Wenn jedoch zwei deutlich unterschiedlich klingende Komponenten mit ihren jeweiligen Charakteristika gefallen, vielleicht je nach Musik die eine oder die andere mehr, dann wird es schwierig.
- Eine stimmungsvolle Hommage an die Nacht, besonders hoch aufgelöst produziert: "Night" von Holly Cole. Anspieltipp: "If You Go Away"
- Als Musikstudentin hatte sie Schwierigkeiten mit Jazz, bis sie all dessen Facetten kennen lernte und ihre eigene Interpretation fand. Heute gehört die in Frankreich lebende Süd-Koreanerin Youn Sun Nah international zu den Stars der Szene. Auf ihrem aktuellen Album „Lento“ unternimmt sie einen hörenswerten Streifzug durch diverse Genres
- Eine laute junge Pop-Diva an der Seite eines gestandenen Entertainers: Lady Gaga darf sich in Duetten mit Tony Bennett zieren und zeigt ein völlig anderes musikalisches Gesicht - wirklich reizvoll
Mitte der Neunziger Jahre begannen viele Beratungsgespräche in Studios mit der Frage, welche Musik ich denn hauptsächlich höre. Längst ist klar geworden, dass Hobby und Beruf, mehr oder weniger unterschwellig, immer von einer zentralen, drängenden Frage bestimmt sind: Gibt es wirklich den richtigen Klang? Alles Tun ist von der Suche nach einer Antwort darauf, vom Streben nach einer klanglichen `Wahrheit’ motiviert. In der Zeit nach bestimmten persönlichen Präferenzen gelangte ich resigniert zu der Ansicht, dass es einen solchen absoluten Anker wohl nicht gibt und jeder auf sein eigenes Geschmacksurteil zurück geworfen ist. Da es um Alternativen auf höchstem Niveau geht, sollte das doch kein Problem sein.
Alles Tun ist von der Suche nach einer klanglichen Wahrheit motiviert
Schon bevor ich mitbekam, dass manche High-End-Zirkel die Notwendigkeit zu einer bierernsten Auseinandersetzung mit der Materie suggerieren, verstand ich allerdings an dieser Stelle keinen Spaß. Denn bloß nur subjektiv können Klangempfindungen nicht sein, das widerspricht meinem innersten Gefühl. Jedenfalls muss sich eine klangliche Beurteilung anhand von Kriterien objektiv qualifizieren lassen, ob eine „gute“ Darbietung den individuellen Nerv trifft, das ist eine andere Sache.
Lassen sich Maßstäbe für guten Klang aufstellen? Keine Frage wurmte mich schon als HiFi-Enthusiasmus nur Hobby war so sehr - dabei war es im Grunde nicht die Frage, die mich aufrieb, sondern die für mich fraglos klare Antwort, deren leidenschaftliches Verfechten gegenüber den Subjektivisten: Selbstverständlich lässt sich begründen, warum eine Performance besser klingt als eine andere. „Hearing Is Believing“ - dieser alte Werbeslogan eines Elektronikherstellers ist für mich die Antithese zu audiophilem Qualitätsbewusstsein, aber vielleicht habe ich da nur ein Augenzwinkern übersehen.