Die Schwelle
„Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.“ Mit diesen Zeilen aus Goethes Gedicht „Erinnerung“ verbinde ich persönlich sehr viel, sie kennzeichnen für mich daneben auch die Auflösung einer gefühlten Kontradiktion zwischen technischer Perfektion und intensivster Emotion. Denn als typischer High-Ender immer auf der Suche nach Gewissheit habe ich mich bezüglich meiner audiophilen Präferenz vor einigen Jahren für das Nahe liegende, die unbedingte Authentizität entschieden. Allerdings waren keine Argumente, sondern Schlüsselerlebnisse für diesen Sinneswandel ausschlaggebend. Die eigene Hörerfahrung zu reflektieren und sich weiter zu entwickeln gehört zum Beruf und zu meinem Selbstverständnis, aber am Ende des Tages braucht es einen neuen Kick um die alten, tief sitzenden und glorifizierten Erinnerungen an erste Aha-Erlebnisse vom Thron zu stoßen, die eine hartnäckige Signatur des individuellen Klangempfindens ausgeprägt haben. Reicht dafür eine Performance, die sich durch ultimative Informationsfülle auszeichnet? Ja, denn es geht nicht um die Faszination am letzten Verklingen eines zarten Glöckchens.
- Eine Überflieger-Einspielung, die bei keinem meiner Tests fehlt und ein persönlicher Klassik-Liebling: Die Symphonischen Tänze von Rachmaninoff, gegeben vom Minnesota Orchestra unter der Leitung von Eiji Oue. Die Durchhörbarkeit des Orchesters und des Aufnahmesaals ist phänomenal!
- Mit ultra-auflösendem Equipment wird deutlich: Das Erstwerk von Elisabeth Grant ist gar nicht mal so schlecht produziert - tatsächlich sogar sehr gut. Das Vibrieren ihrer Stimme bei "Video Games" hat Gänsehaut-Potenzial
- Eine stilvolle Gelegenheit, Hélène Grimaud in Deutschland live zu erleben, bietet sich u.a. am 8. Juni 2015 im Großen Saal der Laeiszhalle in Hamburg
Als ich erfahren habe, was ein Höchstmaß an dargebotener Information bewirken kann, wurde mir klar: Die Reproduktion entfaltet erst auf einem bestimmten Niveau noch etwas Wesentliches, geradezu Essentielles, das wir unmittelbar spüren. An dieser Schwelle wird mehr daraus, aus schierer Transparenz entwickelt sich eine Transzendenz.
Die Reproduktion entfaltet erst auf allerhöchstem Niveau noch etwas Essentielles, das wir unmittelbar spüren. An dieser Schwelle wird aus schierer Transparenz eine Transzendenz
Die Reproduktion wirkt wie ein lebendiges Gebilde das sich verselbstständigt, an diesem Punkt gibt es keine Fragen mehr, keinen Gedanken an „Höher, schneller, weiter.“ Wenn Grenzen aufgehoben scheinen ist der Weg frei für Flow-Momente, für eine neue Erfahrung. Anlagen, die das vollbringen können, lasse ich auf mich wirken und bin mittendrin in allem, was heute wichtig ist: Wirklich loslassen, sich treiben lassen und ganz ohne Konzentration die Musik immer als Ganzes wahrnehmen.
Und sich immer wieder nur leise berieseln lassen, das finde ich wunderschön, wenn die Intensität trotzdem richtig durchdringt - ab und zu genauer zuhören, ansonsten die Musik einfach locker Teil der Situation sein lassen und mal sehen, was daraus wird. In solchen Momenten steckt für mich persönlich die Bedeutung von Musikhören, erfahre ich ihre Inspiration, ihre ganze anregende und regenerative Kraft.
Zum 20. Jubiläum hält Audionet für die HIGH END-Messe in München einige Überraschungen bereit, begeht ansonsten ‚den Runden’ wie gewohnt ohne großes Aufheben und lädt wie immer zu besonderen Musikerlebnissen ein. In diesem Sinne: Gratulation zum Firmenjubiläum!